JÜRGEN SCHADEBERG

Mehr Humor
Der deutsche Fotograf Jürgen Schadeberg arbeitete mit Henry Nxumalo für das populäre schwarze Magazin »Drum«


Der Film zum Interview



Wie kamen Sie von Deutschland nach Südafrika?
Im Alter von 16 habe ich in Berlin mit einem Lehrer Fotografie studiert. Dann ging ich nach Hamburg und fing dort als Volontär bei der Deutschen Presseagentur an. Als ich 19 Jahre alt war, beschloss ich, dass ich raus musste, um die große, weite Welt zu sehen. Ich wollte außerdem meinen Erinnerungen an die Nazizeit in Berlin und die Bombardierung entkommen. Meine Mutter war 1947 nach Südafrika gezogen. Ich wäre viel lieber nach New York, aber ich hatte keine andere Wahl. Dies war meine einzige Chance, da es sehr schwer war, damals aus Deutschland rauszukommen. Also ging ich im Alter von 19 aus Hamburg weg und machte mich auf ins Unbekannte.
Wie haben wir uns Johannesburg in den frühen 50ern vorzustellen?
Es war ein sehr seltsamer Ort für einen Neuankömmling, weil es dort diese unsichtbare Mauer zwischen den Kulturen gab, die parallel zueinander lebten. Es gab die weißen Kolonialisten: in Johannesburg waren sie meist aus englischsprachigen Ländern, aber auch Griechen, Portugiesen, Deutsche. Sie waren sehr langweilig. Man konnte nicht einmal eine Tasse Kaffee bekommen, weil es nur Tee-Salons gab. Dann gab es aber die schwarze Kultur, die sich an Amerika, Louis Armstrong, Charlie Parker, Joe Louis orientierte. Die Schwarzen, die in der Mehrheit waren, hatten einen tollen Sinn für Humor; ihre Welt war aufregender. Ich dachte, dass diese Apartheid nicht bestehen bleiben würde.
War »Drum« das erste Magazin, bei dem Sie sich beworben haben?
Ich habe damals versucht, bei einer der großen Zeitungen Arbeit zu bekommen, aber das funktionierte gar nicht. Wenn ich mich vorstellte, ging ich meist mit meiner Leica um den Hals zum Cheffotografen, der mir dann sagte, dass ich mit einer solchen Miniaturkamera keine Chance hätte, jemals einen Job in Südafrika zu bekommen. Sie liefen der Zeit hinterher und hatten keine Ahnung, dass es so etwas wie Dokumentarjournalismus überhaupt gab. Es gab außerdem keine schwarzen Fotografen. Dann hörte ich von »Drum« und ging vorbei - und dort nahm man mich mit Kusshand, weil kein weißer Fotograf damals auf die Idee kommen würde, für ein schwarzes Magazin zu arbeiten, egal wie dringend er das Geld brauchte.
Wie haben sie Henry Nxumalo kennen gelernt?
Wir lernten uns bei »Drum« kennen. Er war ein sehr humorvoller Mann und hatte unglaublichen Mut. Nur ein wirklich mutiger Journalist würde ins Gefängnis gehen, um eine Geschichte über Gefängnisse zu schreiben, oder auf einer Arbeitsfarm anheuern, um über die Zustände dort zu berichten. Andere Journalisten hätten bloß Interviews geführt. Er war fast so etwas wie ein Kriegskorrespondent. Er war außerdem einer der wenigen Menschen, die keine Vorurteile hatten, kein Hass. Es gibt Menschen, die zum Journalismus geboren sind, und er war einer von ihnen. Das Gute an dem Film ist, dass sein Leben nun zum ersten Mal Anerkennung genießt. Viele der Drum-Autoren, die nachher Stücke oder Bücher geschrieben haben, sind inzwischen bekannt. Aber an Henry erinnert sich kaum jemand.
Als sein Fotograf müssen Sie auch in Gefahr gewesen sein.
Manchmal war mir schon etwas mulmig, aber wenn man so jung ist, wie ich es damals war, glaubt man gegen alles immun zu sein. Für mich als Weißen war es nicht so gefährlich. Dass ich ein deutscher, also ein Ausländer war, hat auch geholfen. Sie konnten mich so nicht einfach unter einem Vorwand einsperren oder zusammenschlagen. Ich wurde tatsächlich einmal festgenommen, aber ein deutscher Journalist von der DPA war dabei und rief die deutsche Botschaft an. Ich war in der Zelle, man hatte mir meine Kameras und meine Krawatte abgenommen, und bevor ich mich setzen konnte, wurde ich schon wieder freigelassen, weil die deutsche Botschaft bei der Polizeiwache angerufen und meine sofortige Freilassung verlangt hatte. Ich wurde zwar bedroht und habe 1964 auch deshalb das Land verlassen, aber das war nichts gegen die Risiken, die Leute wie Henry auf sich genommen haben.
Waren sie während der Dreharbeiten von Drum am Drehort?
Ja, aber nicht als Berater. Ich habe bloß dem jungen Mann, der den Fotografen spielt, gezeigt, wie er die Kamera halten soll.

Interview: Karsten Kastelan