NEIL JORDAN ÜBER »BREAKFAST ON PLUTO«
Erschöpfte Gegner Über Iren, Lebenslust und den Film »Breakfast on Pluto«
Die Kritik zum Film
Woher bezieht Kitten ihre Kraft?
Indem sie sich ihre Unschuld bewahrt und egal in welcher Lebenssituation darauf besteht, hübsch auszusehen. Breakfast on Pluto ist keine Geschichte über den Verlust der Unschuld, sondern darüber wie man seine Unschuld verteidigt, wenn man in die Mühlen einer politische Verschwörung gerät.
Kitten wendet gegen den Ernst, mit dem die Parteien im Bürgerkrieg agieren...
Wenn Kitten "ernst" sagt, dann bezieht sie sich auf eine spezifisch irische Art, das Wort zu verwenden, die meint: Wenn du mich nicht ernst nimmst, reiß ich dir den Kopf ab! Diese Art von Ernsthaftigkeit hasst sie. Ihren Umgang mit der Repression, der politischen Gewalt, der Unterdrückung durch die katholische Kirche und die Verrohung der Gesellschaft finde ich sehr erfrischend. Dies ist mein vierter Film, der sich mit der politischen Gewalt in Irland auseinandersetzt, und auf eine gewisse Weise habe ich mit diesem Film das Thema für mich ad acta gelegt.
Hat das Friedensabkommen eine solche Sicht auf den Konflikt befördert?
Auf jeden Fall. Wir reden hier von einer völlig erschöpften Nation, von zwei völlig erschöpften Gegnern.
Kurz nachdem Sie in London einen Bombenanschlag der IRA für den Film nachgestellt haben, sind dort in der U-Bahn die Bomben islamischer Fundamentalisten explodiert....
Ja, das war wie ein Deja Vu. In Irland hat der Terrorismus endlich ein Ende gefunden, und nun bricht das gleiche Phänomen weltweit in einem sehr viel beängstigernden Ausmaß aus.
Sie haben in den 70ern selbst in London gelebt.
Es steckt viel von meiner eigenen Lebenserfahrung in diesem Film. Ich bin in den 70ern nach London gezogen, habe mich herumgetrieben und auch eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Als Ire hat man in London immer Leute getroffen, die politisch engagiert waren. Es war eine seltsame Mischung aus Politisierung und dem pulsierenden Lebensgefühl, das die Stadt vermittelt hat.
Ist London heute immer noch ein Fluchtpunkt für Iren, die der moralischen Enge entfliehen wollen?
Auch heute noch gehen Frauen nach England, wenn sie eine Abtreibung machen lassen wollen. Da hat sich nichts geändert. Als ich jung war, ist man nach London gezogen, um frei zu sein. Dort konnte man sich eine andere Identität zulegen. Der Sinn für Freiheit hat damals viele berauscht. Irland war in den späten 70ern ein sehr grimmiger Ort. Kitten und ihre Freundin Charlie suchen sich deshalb auch einen besseren, fröhlicheren Platz zum leben. Charlie ist schwanger und möchte das Kind. In England gibt es ein staatliches Gesundheitswesen, in Irland wäre das Kind wahrscheinlich in einem Waisenhaus und Kitten früher oder später in der Psychiatrie gelandet.
Sind die wilden Siebziger damals ganz an Irland vorbei gegangen?
Das, was Ende der Sechziger in San Fransisco, Berlin oder Paris in der Luft lag, war auch in Irland zu spüren. Aber diese Stimmung wurde dann völlig von dem politischen Konflikt aus der Vergangenheit überdeckt, der nichts mit der restlichen Welt zu tun hatte.Dieser politische Konflikt hat den Menschen meiner Generation das Leben vergiftet.
Interview: Martin Schwickert
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