BREAKFAST ON PLUTO

Crying Game II

Neil Jordan bringt wieder Irland und Transgender zusammen, diesmal aber radikaler als vor knapp 15 Jahren

Für einen heranwachsenden Transvestiten ist das Irland der 60er-Jahre nicht gerade der ideale Ort zur persönlichen Selbstfindung. Wer es zwischen provinzieller Engstirnigkeit, knallhartem Katholizismus und bierernsten IRA-Kämpfern schafft, entlang der Geschlechtergrenzen zu wandeln, muss sich seiner Sache sehr sicher sein.
Patrick (Cillian Murphy), der lieber Kitten genannt wird, hat sich schon seit frühester Kindheit mehr für Lippenstift, Mascara und Frauenkleider als für die republikanische Sache interessiert. Mit unzerstörbarer Beharrlichkeit hält er an seiner Identität fest. Vielleicht weil dies die einzige Gewissheit im Leben des Waisenjungen ist, der als Findelkind vor der Tür des Pfarrers (Liam Neeson) abgelegt wurde.
Immerhin bringt die Libertinage der 70er auch in Irland eine gewisse Erleichterung. Im Glamrock-Outfit stolziert Kitten durch die heimatliche Kleinstadt und findet schließlich Anschluss an eine Heavy-Metal-Band. In einem alten Wohnwagen richtet Patrick sich ein, und als er die versteckten Waffen der IRA unter dem Teppich entdeckt, werden diese kurzerhand im See entsorgt. Natürlich verstehen die republikanischen Aktivisten da keinen Spaß, aber gegen die unkaputtbare Contenance des Transvestiten können auch die härtesten Untergrundkämpfer nichts ausrichten.
Auf der Suche nach der unbekannten Mutter landet Patrick irgendwann in London, wo er sich als Plüschhase in einem Freizeitpark, als zu zersägende Jungfrau bei einem mittelmäßigen Zauberkünstler (Stephen Rea) und schließlich auch als Prostituierte verdingt. Auch in London holt der Bürgerkrieg ihn ein, als er unter Verdacht gerät, als Cross-Dress-Terrorist eine Bombe in einer Soldatendisco gelegt zu haben.
Bereits 1992 hatte der irische Regisseur Neil Jordan in The Crying Game einen IRA-Kämpfer durch die Liebe zu einem Transvestiten in die Sinnkrise gestürzt. Aber nur vordergründig versucht Jordan mit Breakfast on Pluto - der Adaption eines Romanes von Pat McCabe - an seinen damaligen Erfolgsfilm anzuknüpfen. Denn die Abrechnung, die Jordan hier mit der politischen Unkultur seines Landes betreibt, kommt zwar leichtherziger, aber auch deutlich radikaler daher. Wie ein unangreifbarer Engel und als lebhafter Gegenentwurf gegen die ideologische Verkrampfung seiner Zeit stöckelt Cillian Murphy durch die politischen Wirren der 70er und 80er Jahre.
Nur auf der visuellen Ebene wirkt der bonbonbunte, magischen Realismus, mit dem Jordan die triste Wirklichkeit zu verformen sucht, manchmal etwas zu angestrengt.

Martin Schwickert

Irland/GB 2005 R: Neil Jordan B: Neil Jordan, Pat McCabe K: Declan Quinn D: Cillian Murphy, Liam Neesson, Ruth Negga


Das Interview zum Film