SHREK - DER TOLLKÜHNE HELD


Die grüne Minne

Märchen als Vatermord

Es war einmal ein Märchenonkel, der brachte alle Fabelwesen der Welt dazu, ihm zu dienen; erfand auch eine Menge eigene dazu und eroberte mit seinen lustigen Truppen die Fantasien der Völker. Dann starb er, und die Söhne zerstritten sich auf das teuerste. Einer, Jeffrey Katzenberg, nahm sein Erbteil aus der Firma, gründete damit das Reich Dreamworks, und erzählt nun seine Geschichte, die ein bisschen Vatermord ist und ein bisschen Selbstironie, voller Anspielungen steckt und viele Fallen hat.
Eine fällt sofort auf: der Held, ein grüner Oger, groß, garstig-gemütlich, dick und von gewöhnungsbedürftigem Benehmen, suhlt sich in witzigen Ekligkeiten, benutzt Augäpfel als Cocktailkirschen und puhlt sich aus dem Ohrenschmalz eine Kerze, um in deren Schein romantisch herumzusitzen. Ohne die Farellis wäre sowas kaum möglich gewesen.
Der Anti-Held ist ein winziger Prinz einen Wald weiter, der Fabelwesen hasst und unter anderem das ganze Disney-Personal in seinem Beritt - von den drei Schweinchen bis Pinnocchio - einfangen und ausweisen lässt. Der Handlungsstrang ist etwas unterentwickelt - aber sehr komisch. Das gemeinsame Interesse beider ist eine holde Prinzessin, bewacht von einem Drachen, die der Fiese zur Frau nehmen will, um ein richtiger König zu werden - und die der Freundliche retten will, weil sein Auftraggeber ihm dafür verspricht, die störenden Märchenfigur-Flüchtlinge aus seinem geliebten Sumpf zu vertreiben.
Natürlich kommt das meiste anders - und wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, dass alle Figuren aussehen, wie in einem Computerspiel mit 3D-Beschleuniger-Karte, dann kommt es auch gut. Alle Standards werden übererfüllt - und ein bisschen verdreht. Der Drache ist abscheulich - und ein Mädchen. Der Held furzt - und verliebt sich in die Prinzessin. Die wiederum kann kämpfen wie Neo in Matrix ... an solchen Stellen verlässt Shrek die stilistische Reinheit. Alle Anspielungen werden breit ausgewalzt, die Fiktion versinkt in wissendem Gekicher - aber die eigentlich dann logisch folgende Anarchie (wie sie etwa Laurel & Hardy & die "Babes in Toyland" in der letzten Schlacht gegen den frühen Disney versuchten - erfolglos) fehlt.
Das Amüsement aber bleibt. Und das Herz kriegt ebenfalls seinen Teil. Auch wenn das Finale etwas drangestrickt wirkt: die Beauty erkennt, dass sie lieber das scheinbare Biest als das echte küssen sollte. Weil sie selber eine grüne Seite hat - und eine nicht-standardisierbare Kleidergrösse im Inneren, sozusagen.
"And they lived ugly ever after" steht auf der letzten Seite in dem Märchenbuch, das der Film mit den ersten Bildern aufschlug, wie es das Genre befiehlt. Dass Shrek sich mit dem Zeichentrick-Papier zu Anfang gleich den Hintern wischte, will König Dreamworks aber nicht als Kommentar auf seine eigene Hervorbringung verstanden wissen. Shrek II ist immerhin schon in Arbeit.

WING
USA 2001. R: Andrew Adamson, Vicky Jenson