THE GOOD GERMAN

Wo ist mein Nazi?

Steven Soderbergh inszeniert die Nachkriegszeit in coolem Schwarzweiss

Komplett in Schwarz-Weiß und teilweise sogar mit alten Kameratechnik gedreht, besteigt Steven Soderbergh die Zeitmaschine zurück in die 40er Jahre, in denen Filme wie Casablanca Filmgeschichte geschrieben haben. Mehr noch erinnert The Good German jedoch an Wolfgang Staudtes Nachkriegsklassiker Die Mörder sind unter uns. Ebenfalls im Jahre 1945 angesiedelt, erzählt Soderbergh die Geschichte des Kriegsberichterstatters Jake Geismer (George Clooney), der nach Berlin kommt, um über die Alliiertenkonferenz in Potsdam zu schreiben. Geismer kennt Berlin aus der Zeit vor dem Krieg, wo er das Büro einer US-Nachrichtenagentur leitete und sich hoffnungslos in die schöne Lena (Cate Blanchett) verliebt hat. Aber als er sie wieder trifft, will die Ex-Freundin nichts mehr von ihm wissen. Lena lebt mit dem US-Soldaten und Schwarzmarkthändler Tully (Tobey Maguire) zusammen und hofft durch ihn raus aus Deutschland zu kommen.
"Ich habe überlebt" sagt sie und man ahnt, dass sie dafür einen hohen Preis gezahlt hat. Durch die Ehe mit einem SS-Offizier ist sie als Jüdin dem Holocaust entgangen. Ihr Ehemann Emil Brandt hat im KZ Dora, in dem die Nazis ihre Raketenforschungen betrieben haben, als Sekretär des Kommandanten gearbeitet, der nach Kriegsende wiederum von den Amerikanern als Wissenschaftler angeworben wurde.
Während die Alliierten in Potsdam das Friedensabkommen unterzeichnen und in Nürnberg die Kriegsverbrecherprozesse vorbereitet werden, hat in Berlin schon der Kalte Krieg begonnen. Amerikaner und Russen fischen deutsche Nuklearwissenschaftler und Raketenforscher von der Straße, um ihre Rüstungsvorhaben und den Bau der Atombombe voranzutreiben. Dabei drücken sie bei der Ausgabe von Persil-Scheinen oftmals beide Augen zu.
Lena besitzt von ihrem Mann belastendes Material gegen den ehemaligen Kommandanten von Dora und gerät damit in die Schusslinie von amerikanischen und sowjetischen Geheimdiensten. Mit souveräner Brillanz arrangiert Soderbergh seinen Nachkriegs-Noir-Thriller. Dokumentaraufnahmen aus dem zerbombten Berlin zerlaufen bruchlos mit den im Studio nachgebauten Ruinenlandschaft. Mit scharfen Kontrasten und einer perfektionierten Licht- und Schattenführung zeichnet er im künstlichen Retroraum ein atmosphärisch dichtes Bild des Nachkriegs-Berlins. Cate Blanchett mit Katzenblick und dunklem Haar gibt eine formidable, tragische femme fatale ab, irgendwo zwischen Lauren Bacall, Ingrid Bergmann und Hildegard Knef.
Aber weil Soderbergh seinen Film Noir doch ein wenig modernisiert und die Geschichte weniger vernebelt und mit mehr Konsequenz ausspielt, muss George Clooney als aufrechter Ermittler im Sumpf der Weltpolitik viele Schläge einstecken.
Im Subtext schwingt natürlich auch ein Kommentar zur gegenwärtigen "Peacemaker"-Politik der USA mit, aber das ist zur Zeit ja schon fast obligatorisch. Mag sein, dass die Story ein wenig zu cool daherkommt und dieser Stilübung die emotionale Kraft ihrer Vorbilder fehlt. Aber jetzt, hier und heute findet sich kein Film auf der Leinwand, der so verdammt gut aussieht wie dieser.

Martin Schwickert

USA 2006 R&K: Steven Soderbergh B: Paul Attanasio nach einem Roman von Joseph Kanon D: George Clooney, Cate Blanchett, Tobey Maguire. 105 Min.


Das Interview zum Film