BABEL
Schuss ins Dunkle
Über die weltweite Vernetzung des Unglücks
Es ist ein Schuss, der alles miteinander verbindet. Achtlos abgefeuert von einem Jungen, der die Reichweite seines Gewehres überprüfen wollte, auf einen Reisebus in den marokkanischen Bergen. Der Schuss trifft eine amerikanische Touristin lebensgefährlich an der Schulter. Susan (Cate Blanchett) und Richard (Brad Pitt) hatten die Reise in die Wüste gebucht, um nach dem Tod ihres Babys wieder zueinander zu finden. Die beiden älteren Kinder haben sie daheim in der Obhut der mexikanischen Haushälterin gelassen.
Als Amelia (Adriana Barraza) erfährt, dass sie wegen des Unglücks länger als geplant auf die Kinder aufpassen muss, nimmt sie die beiden mit über die Grenze nach Mexiko zur Hochzeit ihres Sohnes.
In Tokio flimmern die Bilder der angeschossenen US-Touristin über die Fernsehbildschirme. Die taubstumme Teenagerin Chieko (Rinko Kikuchi) hat nach dem Tod ihrer Mutter ihr seelisches Gleichgewicht verloren und treibt durch die Partyszene der neonbunten Metropole. Der Schuss stammt aus dem Jagdgewehr von Chiekos Vater, der es auf einer Reise seinem marokkanischen Bergführer geschenkt hatte.
In Babel bleiben der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu und sein langjähriger Drehbuchautor Guillermo Arriaga ihrer multiperspektivischen Erzählweise treu, die sie bereits in Amores Perros und 21 Gramm erfolgreich entwickelt haben.
Babel entwirft ein weltumspannendes Sittengemälde über die Kommunikationsstörungen in der globalisierten Gesellschaft. Der Schuss des Hirtenjungen wird sofort als terroristischer Angriff missverstanden, löst eine brutale Fahndung mit dramatischen Folgen und einen internationalen Medienhype aus, der am eigentlichen Ereignis vollkommen vorbei geht. Bei Amelias Grenzübertritt zurück in die USA setzt das drohende Verhalten der US-Zollkontrolle ein Panikreaktion mit fatalen Folgen in Gang.
Es sind die zufällig ausgelösten Kettenreaktionen, die Iñárritu in Babel interessieren. Er hält den Fokus streng auf seine tief vereinsamten Figuren gerichtet, die sich durch das Dickicht der Kommunikationsverwirrung schlagen, aber dem Schicksal gegenüber machtlos bleiben.
Martin Schwickert
USA 2006 R: Alejandro González Iñárritu B: Guillermo Arriaga K: Rodrigo Prieto D: Brad Pitt, Cate Blanchett, Gael García Bernal
Das Interview zum Film
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