DIE KLEINE KRIMI-RUNDSCHAU (13. Lieferung)
Heftige Gegenwehr und hier die vorherige-Ausgabe Eigentlich ist das eine typischer Männer-Geschichte: Fremder kommt in die Stadt, findet seinen besten Freund ermordet vor, wird selbst verdächtigt und muß sich mit einer vollkommen korrupten Polizei herumschlagen. Caroline Carver hat dieses Thema in Ein glücklicher Ort hübsch umgedreht: eine Frau kommt in ein australisches Kaff, die Freundin ist ermordet ... und so weiter. Allerdings zieht die Geschichte bald mächtig an, handelt von der rassistischen Eingeborenenpolitik Australiens, den üblen Machenschaften eines Pharmakonzerns, einer ganzen Serie von Morden, und während die Geschichte immer größer wird (was man auch an den eingesetzten Fahrzeugen sieht: am Anfang ist's ein verbeulter Toyota, am Ende kommen Yachten und Hubschrauber ins Spiel), verliebt sich die toughe Heldin immer mehr in einen furchterregenden Muskelmann, der voller Wohlgefallen registriert, dass die Dame nur G-Strings trägt und am liebsten nackt durchs Outback joggt. Bei allen kleinen Schwächen der Handlung, hat Caroline Carver zwei wirklich geniale Einfälle, die noch den subtilsten Rassisten erschüttern müssen und nicht verraten werden. Nebenbei interessiert uns immer mehr, was für Brain-Pills in den Titel-Abteilungen der Verlage gereicht werden: wie man den Originaltitel Blood Junction mit Ein glücklicher Ort ins Deutsche bringen kann, ist ohne Drogeneinfluß nicht zu erklären. Am Anfang steht ein fehlendes Manuskript, am Ende brennt die Bücherei: Der Inquisitor ist ein ziemlich dreistes Stück Literaturplagiat. Vielleicht aber auch ist "Der Name der Rose" in Australien nie erschienen, und Catherine Jinks hat noch nie davon gehört. Ihr Hochmittelalter-Krimi ist trotzdem schwach: ein sympathischer Inquisitor im Südfrankreich des 13. Jahrhunderts hat einen scheußlichen Mord aufzuklären und dabei seinen neuen Chef im Nacken, einen dämonengläubigen Hohlkopf, der hinter jeder Ecke Hexen und Teufel sieht. Die an sich dünne Geschichte wird durch viel Geschwafel breitgetreten, die vielen Kirchenväter-Zitate machen das auch nicht spannender (Thomas von Aquin und Augustinus waren nun mal Flachköpfe, dementsprechend aufregend wirken die eingestreuten Sentenzen), der Inquisitor darf einmal bumsen (+ bereuen), und am Ende ist ganz jemand anders der Mörder. In Australien soll das ein Bestseller gewesen sein - noch ein Beleg dafür, dass Umberto Eco den Aussis nie erschienen ist. Jerome Charyn kommt von Isaac Sidel und New York einfach nicht los. Insgesamt 11 Romane, sagt der Verlag, hat Charyn über den Cop Sidel geschrieben, jetzt ist der 1994 verfaßte Roman Abrechnung in Little Odessa erschienen, wieder eine wilde Fieberphantasie über Moral, Liebe, Politik und New York. Isaac Sidel, der verrückteste Polizist der Welt, ist inzwischen zum Bürgermeister der Stadt gewählt worden. Viel mehr als das interessiert ihn aber eine Mordserie unter Obdachlosen. Und bald lernt er, dass diese Morde mit Denkmalschutz, dem FBI, Baseball und Rumäniens Ex-Geheimdienst Securitate zusammenhängen. Nur ein stilisicherer Erzähler wie Charyn kann daraus einen glaubwürdigen Krimi machen, in dem der Bürgermeister sagt: "Ich muß nach Paris fahren, einen Mann ermorden!" Als Henning Mankell nach 8 Romanen seine "Wallander"-Romane beendete, stellte er nach einem Jahr fest, dass da was fehlt - Wallanders Jugend. Wallanders erster Fall ist eine Sammlung von fünf Kriminal-Geschichten, angefangen von Kurt Wallanders Beginn als Streifenpolizit, endend mit dem Einstieg zum ersten Roman "Mörder ohne Gesicht". Leider sind die Geschichten sterbenslangweilig, teilweise lieblos erdacht und geschrieben (allein die Wiederholung bestimmter Motive ist mehr als peinlich), und über den Werdegang Wallanders erfahren wir fast nichts. Der junge Streifenbulle ist schon genau der Eigenbrötler, der uns in den Romanen begegnet. Es gibt keine Entwicklung, keine prägenden biografischen Momente, und Wallanders Vater war auch schon in jungen Jahren eine Nervensäge. Über große Strecken ließt sich das wie ein langer, unpointiert geschriebener Wetterbericht über Süd-Schweden, wo's immer kalt ist und immer regnet. Jean-Claude Izzos vermutlich letztes Buch (der Autor starb 2000) ist eine Art Nachschrift zu seiner Marseille-Trilogie (deren zweiter Band kriegte 2001 den Deutschen Krimi-Preis), und eigentlich kein richtiger Krimi: Bis zur ersten Leiche brauchts 200 Seiten, der letzte Mord in Aldebaran passiert kurz vor Schluss. Vorher streifen ein Libanese, ein Türke und ein Grieche durch die Hafenanlagen von Marseille und die eigene Vergangenheit. Ihr Schiff, die Aldebaran, liegt fest und rostet, der Reeder ist pleite, die Mannschaft ist verschwunden. Nur drei "verlorene Matrosen" (Originaltitel) schrubben hoffnungslos melancholisch das Deck, gehen Nutten besuchen, und öffnen einander ihr stillgelegtes Herz: "Der Wein ist zum Erinnern da, nicht zum Vergessen". Huh, alle leiden unter dem Meer und den Frauen, beide nah und unerreichbar. Kerle im Charakter-Koma. Multi-Kulti in der Schmelztigel-Stadt. Und eine Übersetzung (Katharina Grän/Ronald Voullé), die dem Kitsch oft nur durch einen sehr gestelzten Ton entkommt. "Brütende Hitze erstickt jeden Laut, alles keimt, stirbt, modert und fault" heisst ein Kapitel. Kein Vergnügen, aber den Schweiß wert. In den 70ern hat sich der "Pardon-" (und später "Titanic"-)Cartoonist Chlodwig Poth immer mal wieder als Romancier versucht, und sein Frankfurt-Krimi Kontaktperson ist auch nicht mehr als ein rührender Versuch. Obwohl Poth offensichtlich keine Ahnung vom Innenleben der Polizei hat, installiert er eine Hauptfigur, Kommissar Schygulla, die sich mit Bürokraten, Revierarbeit, einem unerfüllten Eheleben und den frisch ausgebrochenen Pocken herumzuschlagen hat. Ein albanischer Gastarbeiter hat die Seuche eingeschleppt, und nun muß Schygulla Kontaktpersonen auftreiben und in Quarantäne stecken. Vor allem die Ermittlungen im linken Hausbesetzer-Milieu (wo Poth sich offensichtlich besser auskennt) sind recht komisch geraten. Als Krimi hingegen zieht sich das gewaltig. -aco/thf/wing-
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Caroline Carver: Ein glücklicher Ort Aus dem Englischen von Holger Wolandt. Droemer, München 2002, 363 S., 19,90 EU ISBN: 3426195720 Catherine Jinks: Der Inquisitor Aus dem australischen Englisch von Michael Haupt. Europa, Hamburg / Wien 2002, 495 S., 24,90 EU ISBN: 3203785692 Jerome Charyn: Abrechnung in Little Odessa Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger. Rotbuch, Hamburg 2002, 286 S., 9,90 EU ISBN: 3434540032 Henning Mankell: Wallanders erster Fall Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Zsolnay, Wien 2002, 477 S., 24,90 EU ISBN: 3552051872 Jean-Claude Izzo: Aldebaran Unionsverlag, Zürich 2002, 285 S., 19.80 EU ISBN: 3293002943 Chlodwig Poth: Kontaktperson Oktober Verlag, Münster 2002, 400 S., 25,- EU ISBN: 3935792107 |