DIE KLEINE KRIMI-RUNDSCHAU (Teil 7)

Junges Fleisch


und hier die vorherige-Ausgabe


Inspektor Newman steht einsam im Herrenklo und holt sich einen 'runter, weil ihn die süßen Jungs im Verhörzimmer so anturnen. Drei Nazi-Mädels streifen durch London, weil sie einen Samenraub im Auftrag ihres Führers begehen sollen, um wertvolle arische DNS zu sichern. Und das "Valerie Solanas-Kommando" möchte die drei arischen Schwanzlutscherinnen liquidieren, weil ihre Existenz eine Entwürdigung der Weiblichkeit an sich darstellt. So geht es zu, wenn Steve Home schreibt, und sein Roman Blow Job ist genauso ungeschlacht, hölzern, brutal und eindimensional wie seine vorangegangen. Und ebenso komisch. Tatsächlich lebt auch Blow Job von dem Spannungsfeld, einerseits ernsthaft politische Themen verhandeln zu wollen, andererseits pure Pornografie zu schaffen, in der ständig mächtige Sperma-Portionen in weibliche und männliche Kehlen geschossen werden. Und dann folgen Sätze wie dieser: "'Brenn, Kaufhaus, brenn!' schrien die Nihilisten fröhlich, als sie in ihren Ford Transit sprangen und einen sauberen Abgang schafften."


Eva ist vor gar nix fies. Ausser in anderleuts Schwierigkeiten zu geraten. Liza Codys Romanheldin ist Catcherin in London, hochgerappelt von einem Strassen-Leben, und mit einem Herzen gesegnet, das jeden seine Schlägereien selber erledigen lässt. Ausser für Geld. Nachts bewacht sie einen Schrottplatz, in den Kampfpausen jobbt sie bei einer Privatdetektivin, und dann hat sie plötzlich den halben Strassenstrich am Hals: die Hühner wollen Selbstverteidiung lernen, weil ein Nutten-Killer umgeht. Aber der Fall ist egal, am Ende wird eh der Falsche erwischt. Das Flair macht die Musik, und lauter kleine Episoden mit Eva, wortkarg und wuchtig auf den Schattenseiten der Stadt, entwickeln die Story. Und erweichen ihr Herz. Ein bißchen. Schließlich ist Eva sieht rot erst der zweite Roman einer Serie, die vor ein paar Jahren, als noch jeder Verlag Frauenbücher machte, bei Goldmann unterging. Heutzutage hält Ariadne den Faden hoch und druckt nach.


Dead Man's Song hieß im Original mal The Last Dance, und man weiß nicht, ob man über den Wahn deutscher Verleger (und Filmverleiher), englische Titel durch "deutsche" englische Titel zu ersetzen, lachen oder weinen soll. Dabei ist Ed McBain beim Europa Verlag eigentlich in guten Händen, vorbei die Zeiten, als seine Romane über das 87. Polizeirevier nur in brutal gekürzten Taschenbuchausgaben erschienen. Dieser 50. Krimi um die Cops Carella, Meyer, Kling, Brown und andere enthält wieder diese wundersame Müdigkeit, die über der ganzen Stadt zu liegen scheint. McBain kann eine halbe Buchseite lang beschreiben, wie zwei Cops ihre Schicht antreten und durch den strömenden Regen zu ihrem Streifenwagen gehen. Danach wischen sie sich das Wasser von der Stirn - und gehen an die Arbeit. Ohne Knalleffekte, Sex-Szenen oder die beliebten Serienkiller kommt McBains Geschichte aus, die mit dem scheinbaren Selbstmord eines alten Mannes beginnt. Dead Man's Song beschreibt im wesentlichen Laufarbeit, Routinen, Müdigkeit eben. Und alles führt zum halbwegs guten Ende, ohne auch nur für eine Sekunde den Eindruck von Idylle zu erwecken. Als altmodischer Autor leistet er sich immer wieder belehrende Einschübe - aber eben an genau der richtigen Stelle. Und wenn er was zu sagen hat - etwa über ein Schwarz/Weißes Liebespaar und dabei die Rassenprobleme im allgemeinen - nun, dann sagt er auch was.


Will und Cheryl trampeln wieder. Diesmal talwärts. Der Millionen-Dollar-Downhill führt das weltweit wohl einzige privat ermittelnde Radsportler-Paar in die Abgründe des professionellen Mountain-Biking - wenn man das so sagen darf. Greg Moody baut seinen dritten Thriller aus dem Tretlager wieder mehr nach dem Familien-Roman-Modell als zum Krimi-Genre passend. Aber witzig: vor vierzig Jahren bringt eine Frau ihren Scheißkerl von Mann während der Geburt ihres Sohnes um. Nutzlos, wie sich am Ende herausstellt: das Balg wird auch ein Kotzbrocken. Dazwischen scheint es Bandenkriege zu geben, eifersüchtige Radler, tote Großbau-Architekten, nette Umweltschutz-Ladies. Greg Moody kümmert sich schreibschul-genau Informationshäppchen, Actioneinlagen und Atempausen, aber er taucht zuweilen zu tief in seine Personen und redet uns ihre Seelenzustände ein, um noch rechtzeitig zur nächsten Krimi-Kurve wieder aus der Kitsch-Schikane zu sein. Trotzdem: dreht gut.


Wenn man einen guten Krimi daran erkennt, dass der Plot fesselnd ist - dann hat Michael Larsen mit dem Roman Im Zeichen der Schlange einen guten Krimi geschrieben. Allerdings hatte er den Ehrgeiz, dabei gleich die ganze Erdgeschichte erklären zu wollen. Bei dem Mann geht keine Tür auf, ohne dass wir über die Geschichte der Türklinke im Mittelalter informiert würden oder die Heisenbergsche Unschärferelation. Dabei ist Larsens Wissen über die Geschichte der Physik - sein Lieblingsthema - ziemlich oberflächlich. Das alles zusammen ist dann doch nur die Geschichte eines kleinen Mädchens, das eine globale Katastrophe voraussieht und deshalb von allen Geheimdiensten gejagt wird, wobei ihr die eigentliche Hauptperson, die auf Schlangenbisse spezialisierte dänische Ärztin Annika, den Arsch rettet. Viel Lärm um nichts.


Zwei Jungs - es sind immer Jungs! - marschieren in die Schule und erschießen ihre Lehrer und Mitschüler. Diese Geschichte hat sich inzwischen so oft zugetragen, dass es verwundert, wieso sie noch nicht in der Literatur aufgetaucht ist. Noch mehr verwundert, dass ein deutscher Autor, Marc Höpfner, in seinem Erstling Pumpgun sich dieser Geschichte annimmt, und sie mit Souveränität meistert. Hier ist kein tiefenpsychologisches Rumrätseln zu finden, aber auch kein flaches Polemisieren gegen die Fun & Action-Generation. Die Hauptfigur hat das Massaker überlebt und kommt mit den Schuldgefühlen nicht klar. Höpfner hat seine Story klug gebaut, den Plot ganz in den Hintergrund geschoben, und dem Helden eine Italienierin zur Seite gestellt, die keinen Zweifel daran läßt, dass Frauen die schöneren, klügeren und überhaupt besseren Menschen sind. Außerdem ist Höpfner hoch anzurechnen, dass er niemals versucht, witzig zu sein. Die Stimmung seines Buches kann sich mit der Hoffnungslosigkeit mancher Derek Raymond-Romane messen. Wobei Höpfner die geniale Idee hatte, den Schmerz - im Vergleich zu Raymond etwa - noch zu vertiefen: gerade weil sein Held leben will, weil ihm nicht alles gleichgültig ist, stürzt er so ins bodenlose.


Katy Munger hat mit der Ermittlerin Casey Jones eine sehr lebenslustige Feministin erfunden, die "keine Männer mag, aber trotzdem mit fehlgeleitetem Optimismus immer wieder mit ihnen ins Bett steigt". Ihr Einsatzgebiet ist der tiefe Süden der USA, North Carolina, wo Kerle noch Gentleman und ihre Mütter alte zähe Hexen sind. In Beinarbeit arbeitet Casey Jones für eine Politikerin, der man gemeinerweise eine Leiche in den Vorgarten gelegt hat. Und obwohl eine Menge schräger und höchst verdächtiger Vögel auftauchen, hört Casey auf ihren Boß: Geh immer dem Geld nach! Weshalb der Roman witzig, politisch, schräg und leidlich spannend ist, im wesentlichen aber von frechen Bemerkungen der Heldin lebt, in der Art: "Er hatte lange Hände, er hatte lange Finger, einen langen Schnurbart und ein langes Lächeln - ich mag lange Dinger.
-aco/thf/vl/wing-
Steve Home: Blow Job. Aus dem Englischen von Wolfgang Bortlik, Nautilus, Hamburg 2001, 222 S., 29,80 DM ISBN: 3894013656
Liza Cody: Eva sieht rot. Argument Verlag, Hamburg 2001, Ariadne Krimi 1134. Aus dem Englischen von Regina Rawlinson, 249 S., 17.90 DM ISBN: 3886198642
Ed McBain: Dead Man's Song. Aus dem Amerikanischen von Uwe Anton. Europa Verlag, Hamburg/Wien 2001, 320 S., 32,50 DM ISBN: 3203800276
Greg Moody: Der Millionen Dollar Downhill Delius Klasing, Bielefeld / Moby Dick, Kiel 2001. Aus dem Englischen von Änne Troester, 392 S., 29.80 DM ISBN: 3895951641
Michael Larsen: Im Zeichen der Schlange Aus dem Dänischen von Ingrid Glienke, Hanser, München/Wien 2000, 375 S., 39,80 DM ISBN: 3446199136
Marc Höpfner: Pumpgun Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2001, 245 S., 38,- DM ISBN: 3627000811
Katy Munger: Beinarbeit Aus dem Englischen von Tom Appleton. UT 197, Unionsverlag, Zürich 2001, mit einem Interview der Autorin, 284 S., 16,90 DM ISBN: 3293201970