DIE KLEINE KRIMI-RUNDSCHAU

Killer unterwegs

Morde, Mörder und billiger Whisky
und hier die vorherige-Ausgabe


Letzter Looping ist ein 25 Jahre altes Debüt, mit dem sich der englische Kunstflieger und Luftclown Brian Lecomber mal einen Winter in der Karibik vertrieb. Später wurde Lecomber ein produktiver Unterhaltungs-Schriftsteller, seine durchwegs aviatischen Sujets kamen weltweit gut an, nur sein Erstling wurde, seltsamerweise nur in Deutschland, nie wahrgenomen. Jetzt erschien er in der zur Zeit spannendsten Krimi-Reihe Europas: ein Flubzeugakrobat stürzt böse ab, ein anderer gerät mit ehemaligen Kriegshelden aneinander ... von Hitlers Briefmarkenalbum bis zur Antigua-Mafia reicht der Spannungs-Bogen - und was vorne ein atmophärisch dichter Krimi im ungewohnten Milieu war, wird hinten bloß ein etwas zu langer Helden-Thriller-Traum. Den Einsamer-Wolf-mit-Hüftleiden-Standards opfert Lecomber sogar eine zarte Liebesgeschichte; er will wohl ums Verrecken nicht verfilmt werden.


Jean-Claude Izzo schrieb seine Kriminal-Romane als Marseille-Romane - und er starb im Januar 2000, noch bevor Deutschland sie kennen lernen konnte. Mit Total Cheops und Chourmo sind gerade 2 Bände seiner Fabio Montale-Trilogie erschienen, voller vielfältig flirrender Atmosphäre, voller Essen und Trinken, und voller Trauer. Izzo war mal Kommunist, war mal Journalist, und er hat ein Herz für die einfachen Leute - sein Polizist Montale arbeitet sich von gutem Wein zu billigem Whisky vor, vom Ermitteln zum Eingreifen, und wird am Ende des dritten Bandes tot sein. Etwa ein Dutzend Bücher Izzos sind noch unübersetzt, darunter ein Kochbuch und eins mit Gedichten.


Der stille Herr Genardy ist ein Kinderschänder und -Mörder ... und in den besseren Passagen von Petra Hammesfahrs Roman erscheint er nicht grundsätzlich als Monster. Hammesfahr erzählt abwechselnd aus seiner und der Sicht der alleinerziehenden Mutter seines nächsten Opfers (Iris Berben spielte sie in einer RTL-Verfilmung), und macht ein allgemeines "Männer-tun-Frauen-Übles"-Drama daraus. Leider mit einem unnötig mystischen Hintergrund: Iris Berben träumt immerzu vom Todesboten, der die Uhr ihrer Oma zerschlägt. Wegen solcher Mätzchen gilt sie in der Publikumspresse manchmal als "die deutsche Stephanie King", dabei qualifizieren ihre traurigen, frauenleidenden Mittelstands-Beschreibungen Petra Hammesfahr eher als das Ibschen von Köln.


Wenn "Krimi" jene Literatur ist, die von kriminellen Handlungen und von Tätern und Opfern erzählt, dann hat B. Traven die besten Krimis überhaupt geschrieben. Dass seine Romane heute noch als Monolithe der gesellschaftskritischen Literatur herausragen, macht ihre Einordnung schwierig (und Traven-Fans werden sich empören und ihn glattweg der Abenteuer-Literatur à la Conrad zuordnen wollen), ihre Lektüre aber immer wieder lohnen. Niemand hat derart spannende, historisch korrekte und engagierte Romane geschrieben wie der geheimnisvolle B. Traven, der wahrscheinlich aus Deutschland kam und Mitte der 20er in Mexiko untertauchte. Zwei seiner besten Romane hat Diogenes jetzt noch einmal als Taschenbuch aufgelegt: Die weiße Rose handelt davon, wie aus reiner und anonymer Profitgier eine beinahe idyllische Gemeinschaft - die Hazienda "Die weiße Rose" - zerstört wird. Die Rebellion der Gehenkten ist die Geschichte eines Aufstands, der, wie jede Rebellion bei Traven, letztlich scheitert. Nicht, weil die Rebellen versagen, sondern weil die Herrschenden immer einen Schritt skrupelloser sind.


Ein kurdischer Killer kommt nach New York und soll mehrere Morde begehen. Ein Job heißt die Geschichte (nach einem Drehbuch), die lange Zeit erstaunlich konventionell daherkommt, mit bösem Witz - der kurdische Killer spricht kein Wort englisch, und der Kulturschock ist mächtig - und einem enervierend gedrosselten Tempo. Aber dann biegt Irene Dische in die Zielgerade, und das Buch nimmt eine absonderliche Wendung. Irene Dische wurde Ende der 80er mit ihrem Erzählband Fromme Lügen bekannt und ist alles andere als eine gelernte Krimi-Autorin. Vielleicht konnte nur deshalb dieses erzählerische Experiment so gut gelingen.


Schade, dass von Michael Lewin nicht mehr auf Deutsch erscheint. Immerhin, sein komischer und dabei sehr ernsthafter Albert Samson-Krimi Anruf vom Panther ist jetzt als Taschenbuch erschienen.
-aco/wing/vl-
Brian Lecomber: Letzter Looping Aus dem Englischen von Peter Friedrich, Unionsverlag Zürich 2000, UT metro Nr. 182, 350 S., 19.90 DM
Jean-Claude Izzo: Total Cheops / Chourmo Aus dem Französischen von Katarina Grän und Ronald Voullie, Unionsverlag Zürich 2000, UT metro Nr. 164/187, 244/258 S., je 16.90 DM
Petra Hammesfahr: Der stille Herr Genardy, glücklich gekürzt vorgelesen von Iris Berben, Lübbe Audio 2000, 4 MC, 305 Min.
B. Traven: Die weiße Rose / Die Rebellion der Gehenkten, Diogenes, Zürich 2000, 16,90 / 18,90 DM
Irene Dische: Ein Job Aus dem Amerikanischen von Mickey Gondswaard, Hoffmann & Campe, Hamburg 2000, 169 S., 29,90 DM
Michael Lewin: Anruf vom Panther Diogenes, Zürich 2000, 315 S., 18,90 DM