KRIMI-RUND-SCHAU
Das grosse Umlegen Neues von Mord- und Totschlag und hier die vorherige-Ausgabe Die Hauptfigur in Petros Markaris' halb satirischem Krimi Hellas Channel ist ein sehr beschränkter Kommissar in Athen: Kostas Charitos ist ein Bulle, der das Foltern von Verdächtigen noch unter den Obristen lernte, nicht weiß was ein Täter-Profil ist und Albaner für Abschaum hält. Als eines Tages in seinem Bezirk ein albanisches Pärchen ermordet aufgefunden wird, begnügt er sich damit, einen Verdächtigen - Albaner, was sonst! - solange zu terrorisieren, bis der gesteht. Charistos ist zufrieden. Nur eine Journalistin nervt ihn mit seltsamen Fragen. Als die Journalistin auch tot ist, muß Charitos noch mal an den Fall ran. Und hat alle Hände voll zu tun, sich vor allem die Presse vom Hals zu halten, die aus Quotengründen einen Kinderschänder als Mörder präsentiert. Markaris gelingt in diesem Roman etwas, was selten gut geht: er zeigt uns, wie seine Hauptfigur klüger wird. Und zwar aus Büchern und an der Wirklichkeit. Charitos hält Albaner am Ende zwar immer noch für Idioten - aber das ist kein Grund, sie zu ermorden. Ironie und Distanz sind in diesem Buch so kunstvoll verteilt, dass man Mühe hat, die ersten Seiten zu überstehen. Zu prall präsentiert uns da Kommissar Charitos als Ich-Erzähler sein erbärmliches Innenleben. Bis uns der Kerl am Ende richtig ans Herz gewachsen ist. Und wir auf einer anderen, höheren Ebene verstehen, wie bissig und böse Petros Markaris die jüngere griechische Geschichte betrachtet. Browns Grabgesang, 1986 erstmals auf Deutsch erschienen, ist der Beginn von James Ellroys nicht enden wollender Tätigkeit als Stadtschreiber der Verbrechen von Los Angeles. Fritz Brown ist Repo-Man, einer, der nicht bezahlte Autos für den Besitzer zurückklaut. Nebenbei hat er eine Agentur als Detektiv. Und gerät eher aus Langeweile und zufällig in einen lange zurückliegenden Mord-Fall, den die L.A.-Cops seinerzeit als aufgeklärt abtaten. Brown weiß nach kurzer Zeit, dass damals einer zu wenig in die Todeszelle geschickt wurde. Die Brutalität der Geschichte korrespondiert mit der Brutalität der Moral. Bei Ellroy ist nichts einfach, obwohl er hemmungslos Klischees ausbeutet (der böse Brandstifter ist nicht nur Nazi-Fan, sondern liebt auch Porno-Fotos, auf denen es Frauen mit Eseln treiben. Pfui aber auch!). Und es sollte mehr als ein Jahrzehnt dauern - im autobiografischen Protokoll Die Rothaarige - bis Ellroy was Gescheites zu Frauen und Liebe einfiel. Was Ellroy in Browns Grabgesang da zusammenfantasiert, ist bestenfalls peinlich. Hollywood, Nachtstücke ist die jüngste Hardcover-Neuerscheinung von Ellroy, kommt aber 6 Jahre zu spät. Die Erzählungen erschienen erstmals 1994, was in diesem Fall nicht ganz unwichtig ist, da sie erhellend wirken als Vorgeschichte zu Die Rothaarige und Ein amerikanischer Thriller; zu beiden Büchern stecken Vorarbeiten in diesen Erzählungen über Hollywoods 50er und 60er Jahre, die Ellroy wieder in gewohnter Härte präsentiert. Und mit Sprüchen über Frauen, dass man nicht nur die Ohren anlegt ... Magdalen Nabb haben wir dermaßen rauf und runter gelobt, dass wir eigentlich nix mehr anzumerken haben. Und nur der Chronistenpflicht genügen: Geburtstag in Florenz ist jetzt als Taschenbuch erschienen. Der Held in Christopher G. Moores Haus der Geister ist nicht nur ein hardboiled "private eye" der alten Schule, er hat auch die richtigen Sprüche drauf. Als seine Haushälterin vor Schreck in einen Haufen Geschirr kippt, knurrt er nur: "Ich hasse das Geräusch von klirrendem Glas. Es erinnert mich an meine Ehe." Oder auch sehr schön: "'Ich habe Kopfschmerzen', sagte Calvino und starrte die Ananasscheibe auf dem Teller an. Es gibt eine Art von Gelb, die ein Mensch nach einer durchzechten Nacht auf seinem Frühstücksteller nicht ertragen kann." Wie sich das gehört, verbirgt sich hinter dem hartgesottenen Privatdetektiv eine gute Seele, was wir auch daran erkennen, dass Vincent Calvino, Amerikaner in Bangkok, ein Alkoholproblem hat. Dafür hat er ein Gespür für die Besonderheiten der thailändischen Kultur und einen Thai-Polizeioffizier als Freund. Gemeinsam kämpfen sie sich durch das Geflecht einer sehr komplizierten Drogen- und Mordgeschichte, in der Calvino vor allem zwei Probleme hat: nicht vorzeitig ermordet zu werden und nicht den falschen Leuten auf die Zehen zu treten. In Thailand, sagt das Nachwort, ist Christopher G. Moore ein Bestseller-Autor. Das spricht dafür, dass der in Bangkok lebende Kanadier Moore von den Problemen des Landes eine Menge versteht. Haus der Geister erschien im Original bereits 1992, die zur Zeit beste Krimi-Quelle, der Unionsverlag, bringt ihn jetzt auf Deutsch heraus. Und hoffentlich auch die folgenden Bände. Dick Francis war Englands erfolgreichster Jockey, bis ein Sturz 1956 seine Karriere beendete. Jockeys, Trainer, Sportreporter, Tierärzte und hippophile Detektive sind seine Helden, echte Kerle mit Ehre und Anstand, die mit jeder attraktiven Frau nach 20 Seiten auch geschlechtlich verkehren. Winkelzüge ist eine Sammlung von 13 Kurzgeschichten. Entstanden zwischen 1970 und 1998, erzählen sie zum Beispiel von einem missratenen Sohn, der seine einzige Chance beim Erwachsenwerden darin sieht, das beste Pferd im Stall des Herrn Papa zu vergiften. Man spürt, dass Francis ein Roman-Schreiber ist. Mit der kurzen Form hat er Probleme: Er schafft Expositionen, feinziseliert, mehrschichtig, aber für Entwicklung und Auflösung ist kaum noch Platz) -aco/jSt-
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Petros Markaris: Hellas Channel aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger. Diogenes, Zürich 2000, 462 S., 44,90 DM James Ellroy: Browns Grabgesang aus dem Amerikanischen von Martin Dieckmann. Ullstein Tb 24789, München 2000, 384 S., 14,90 DM James Ellroy: Hollywood, Nachtstücke aus dem Amerikanischen von Thomas Mohr, Hoffmann & Campe, Hamburg 2000, 255 S., 36,- DM Magdalen Nabb: Geburtstag in Florenz Diogenes, Zürich 2000, 16,90 DM Christopher G. Moore: Haus der Geister aus dem Englischen von Götz Burghardt. Unionsverlag, Zürich 2000, 314 S., 19,90 DM Dick Francis: Winkelzüge aus dem Englischen von Michaela Link. Diogenes Zürich 2000, 400 S., 39.90 DM |