DIE KLEINE KRIMI-RUNDSCHAU

Killing me softly

Die Redaktion schiesst wieder um sich
und hier die vorherige-Ausgabe


Dieses Buch muss gar nicht besonders gut geschrieben sein. Plot, Personen, Psychologie pipapo sind etwa amerikanischer Durschschnitt, uneitel, und nur sacht einfallsreich (es scheint etwa, als trete der Tod persönlich darin auf). Aber das Sujet kann Fans finden: Radeln. Bzw. Radsport auf die harte Tour. Der Held Will Ross hat eine Mörderische Saison auf dem Sattel vor sich. Oder im Peloton, wie wir Profis zum Hauptfeld sagen, in dem Firmen-Teams und gestörte Egos sich gegenseitig den Windschatten abjagen. Auch mit illegalen Mitteln, incl. Doping und Totschlag. Der Autor Greg Moody fährt selber Rennen, sein deutscher Verlag Delius Klasing machte bisher Fach-Bücher für Biker. Und jetzt eben den schon zweiten Radler-Krimi von Moody (nach Tödliche Tour). Wenn nur nicht der Chef der Böse wäre, die Romanze nicht so kitschig ... alle Passagen mit Pedalen nämlich sind interessant bis überzeugend, die meisten abgestiegenen aber fallen schon nach wenigen Zeilen um.


Seltsamer Fall das: ein unverfilmter Fall der Akte-X-Mystery-Crime-TV-Serie liegt seit Beginn der Mode als Buch in den Regalen ... und nun als Hörbuch noch dazu: Ruinen erzählt 177 Minuten lang als inszenierte Lesung davon, wie Scully (ihre deutsche Stimme Franziska Pigulla liest, MG-Schüsse peitschen, Tempelakustik hallt) einmal mit Mulder ein Raumschiff unter einer Maya-Pyramide entdeckte. Mit Anklängen an den Polit-Thriller (Befreiungsbewegung) und den Exoten-Krimi (wer erschoß die hübsche Archäologin?). Wie üblich hinterlässt das Abenteur keine Spuren, auch nicht beim Zuhörer. Ausser einem Hinweis auf die Überlegenheit der MC vor der CD; preislich und im Handling.


Lupen und Luftgeister passen im Prinzip nicht zusammen, Detektive treiben Dämonen für gewöhnlich aus - trotzdem gibt es zuweilen Kriminalgeschichten im Fantasy-Gewand. Meistens lustige, weil darin Welten aneinanderprallen, selten gute, weil sich die Nachteile beider leicht addieren, aber hin und wieder interessante. Wie Die Nacht de Schlange von Bernhard Hennen. In der Rollenspielwelt des "Schwarzen Auges" und als Hardcover-Ausreisser aus der Taschebuch-Reihe) sucht eine todkranke Stadtpolizistin den Mörder eines Kollegen, den Grund für eine geheimnisvolle Seuche und eine Möglichkeit, noch ein bißchen in Anstand zu leben, bevor die Dunklen Mächte eh alles übernehmen. Statt Indizien gibt es Intrigen, statt Ermittlungen Ehrenhändel, und statt den Täter zu entlarven, setzt ihn die trauige Detektivin als Waffe gegen noch viel größere Übel ein.


Nanu, spielten Christoph Güskens Krimis nicht mal in Münster, an seinem Wohnort? Ist es seine Schuld, dass Handlung und Orte der Reihe um das schwieriege Privatdetektiv-Paar Kittel & Voss nicht im Gedächtnis bleiben? Seit Nummer 3 jedenfalls (Spiel's nicht noch mal, Henk, mehr haben wir nicht im Archiv) nistet das Duo definitiv in Köln. Und macht sich ganz ordentlich lustig über diverse Szene- und Genre-Auswüchse. In Nummer 4 (Pommes Rot Weiss) etwa über Mini-Theater, die "Basic Instinct" oder "Psycho" als Kammerspiel geben, oder über Hobby-Mafiosi, die Zierfisch-Filets als Druckmittel einsetzen. Das geht für ein bißchen Grinsen zwischendurch völlig in Ordnung, aber aufbewahren werden wir diese Köln-Krimis doch nicht. Zumal Güsken seine Helden Bernie & Henk jetzt wohl umziehen lassen muss, nachdem sie der Orts-Unterwelt am Ende eine Art "Clou" vorgspielt haben.


Der Lieblingsautor von Jerry Raine ist Elmore Leonard, was man dem Roman Frankie Bosser kommt heim durchaus anmerkt. Frankie Bosser, ein Kleinkrimineller, kommt aus Italien heim in eine englische Vorstadt, wo sein Vater aus Versehen ermordet wurde - so wie Bosser vor Jahren aus Versehen einen Polizisten erschoss. Um diese Figur herum entwickelt Raine ein träges und trübes Portrait des langweiligen Vorstadtlebens: der gestreßte Cop, der nicht dazu kommt, mit seiner Flamme ins Bett zu steigen, der Alt-Hippie, der im Keller Gitarrenunterricht gibt, während sein Mitbewohner im Vorgarten Gebrauchtwagen vertickt. Es gibt einen dreifachen Mord, und die meisten Figuren wissen gar nicht, wie sie in diese Geschichte verwickelt wurden. Die Boshaftigkeit der Figur Phill Gator allerdings hat sich Raine eher bei Jim Thompson abgeguckt. Keine schlechten Vorbilder. Und ein solider Alltags-Krimi.


Nach Schmutziges Wochenende und True Romance hat Helen Zahavi schon wieder ein von Rache durchtränktes Buch geschrieben: Donna und der Fettsack spielt im Kleingangstermilieu, wo eines Tages ein etwas verlottertes Girlie auftaucht, sich in den Chauffeur des Chefs verliebt und allerlei Verwirrung anrichtet. Die Psychologisierung der Figuren ist eher schwach, Helen Zahavi will zu viel beweisen, als dass sie einen spannenden Krimi schreiben könnte. Und geradezu aufdringlich drängt sie sich als Erzählerin in die Handlung und kommentiert ihre Figuren. Und eine Autorin, die über eine ihrer Hauptfiguren schreibt: "Er kam auf die Welt, um gefickt zu werden" - wie viel Sympathie für ihre Helden mag die wohl haben? Als brutale Studie über angewandte Trostlosigkeit mag das angehen.


Dass bei Diogenes in Neuauflage Dashiell Hammetts Das Haus in der Turk Street und Das Dingsbums Küken erschienen sind, ist keine große Nachricht. Dass die Druckqualität so gotteserbärmlich schlecht ist, schon.


Ein dicker Mann liegt nackt und aufgespießt und ziemlich tot herum. Das sieht nicht gut aus und erinnert an ein rituelles Verbrechen. Noch seltsamer aber wird es, als der Journalist Victor Silanpa herausbekommt, dass der Aufgespießte schon länger tot war. Verlieren ist eine Frage der Methode ist einer jener mäßig komischen Romane, die sich als Krimi ausgeben, um ganz viel über die Wirklichkeit zu erzählen. Santiago Gamboa schreibt über Verbrechen in Kolumbien, wo man, wie man hört, sehr vorsichtig mit sowas sein muss. Insofern sei ihm nachgesehen, dass sein Victor Silanpa - sagen wir es behutsam: seine Vorbilder hat. Trotzdem liest es sich ganz amüsant - sieht man über das sehr flache Frauenbild hinweg.
-aco/wing/vl-
Kevin J. Anderson: Ruinen Lübbe Audio, Bergisch Gladbach 2000, 3 CD/2 MC, 39.90/34.90 DM
Santiago Gamboa: Verlieren ist eine Frage der Methode Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold, Wagenbach, Berlin 2000, 368 S., 36,- DM
Christoph Güsken: Spiel's nicht noch mal, Henk / Pommes Rot-Weiss Grafit, Dortmund 1998/2000, 200/190 S., je 14.80 DM
Dashiell Hammett: Das Haus in der Turk Street / Das Dingsbums Küken Diogenes, Zürich, 2000
Bernhard Hennen: Die Nacht der Schlange Heyne, München 2000, 285 S., 29.80 DM
Greg Moody: Mörderische Saison übersetzt von Änne Troester. Delius Klasing / Moby Dick, Bielefeld / Hamburg 2000, 432 S., 29.80 DM
Jerry Raine: Frankie Bosser kommt heim Deutsch von Maike Harms. Unionsverlag, UT metro 173, Zürich 2000, 215 S., 16,90 DM
Helen Zahavi: Donna und der Fettsack Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger, UT metro 165, Zürich 2000, 253 S., 16,90 DM