Steven Soderbergh

DROGENKRIEGE

Ein Interview mit dem Regisseur von »Traffic« über seinen Film, George Bush und die multiple Erzählweise

dazu die Filmkritik Traffic

Ist die US-Drogenpolitik zum Scheitern verurteilt?
Soderbergh:
Die Regierung behauptet, dass sie gegen die Drogen Krieg führt. Das halte ich für vollkommenen Unsinn. In den USA sind mehr Menschen wegen Drogendelikten im Gefängnis als in ganz Europa für alle möglichen Straftaten. Weniger als 5000 Menschen im Jahr sterben in den USA an einer Überdosis. In den Krankenhäusern sterben jährlich 90.000 Patienten, weil sie nicht angemessen medizinisch versorgt werden. Niemand ist bereit, 18 Millionen Dollar Steuergelder auszugeben, um dieses Problem zu lösen. Natürlich ist es für einen Politiker viel sexier, wenn er sagen kann: Wir ziehen in den Krieg gegen die Drogen! Die Regierung hat die Drogen in den letzten 30 Jahren derart erfolgreich dämonisiert, dass sie nun nicht mehr zurück kann. Sie können einfach nicht sagen: Erinnert ihr euch noch daran, dass wir erzählt haben, dass Leute, die Drogen nehmen, des Teufels sind ... Das war gelogen, denn eigentlich sind es Menschen wie du und ich und sie brauchen unsere Hilfe. Glauben Sie George Bush wird das machen? Bush war übrigens in jungen Jahren selbst ein eifriger Kokainkonsument. Was mit ihm passiert ist, das ist eigentlich eine ganz normale Sache. Man gerät in eine Krise, kommt darüber hinweg und lebt sein Leben weiter.
In Traffic erzählen sie mehrere Geschichten gleichzeitig.
Soderbergh: Für dieses komplexe Thema erschien mir die multiple Erzählweise als einzig vernünftige Lösung. Bei diesem Verfahren muss man sorgfältig auf das Gleichgewicht achten. Wenn das Publikum nicht genug Zeit mit einer Figur verbringen kann, ist es nicht bereit, emotional in sie zu investieren.
In Erin Brockovich mit Julia Roberts und jetzt Traffic mit Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones arbeiten Sie mit Stars ...
Soderbergh: Man muss Stars benutzen und sie soweit aus ihrer bekannten, komfortablen Umgebung herausnehmen, wie es für das Publikum noch akzeptabel ist. Wenn man das schafft, bekommt jeder, was er will. Die Stars haben ein wenig Abwechslung und mir gelingt es, Leute in einen Film zu bekommen, den sie sich normalerweise nicht anschauen möchten. Dieser Balanceakt hat mit Julia Robert in Erin Brockovich gut funktioniert. Viele haben damals gedacht: Das ist jetzt Soderberghs Versuch einen Mainstream-Film zu machen. Aber ich kann Ihnen sagen: Das Studio war sehr nervös wegen dieses Filmes. Julia Roberts hatte vorher noch nie in einem Drama mitgespielt. Den Filmtitel konnte niemand aussprechen. Das Ganze beruhte auf einer wahren Geschichte, von der noch nie jemand etwas gehört hatte. Da war kein Sex, keine Action, kein Hit-Song, kein Videospiel, kein Merchandising und kein Fortsetzungspotenzial. All das, was ein Studio normalerweise hat, um einen Film zu vermarkten, fehlte. Bei Traffic ist es natürlich noch extremer. Wenn mir einer erzählt hätte, dass der Film einmal 86 Millionen Dollar in den USA einspielt, hätte ich gesagt: Du bist bekifft.
Sie sind einer der Filmemacher, die den Spagat zwischen Studio- und Arthouse-Produktionen versuchen.
Soderbergh:
Es ist viel einfacher, einen Arthouse-Film zu machen, als Filme wie Out of Sight , Erin Brockivich oder Traffic . Wenn man einen Studio-Film mit Stars dreht, hat man das Gefühl ein Jahr ununterbrochen in einer Düsenwaschanlage zu stehen. Aber ich will einfach keine Filme mehr machen, die nur im Hinterzimmer gezeigt werden. Filmemachen ist harte Arbeit. Wenn man ein Jahr seines Lebens daran gegeben hat und der Film schon nach einer Woche aus den Kinos fliegt, ist das enorm frustrierend.
In Erin Brockovich ging es um Umweltverschmutzung. In Traffic greifen sie die US-Drogenpolitik an. Sind Sie jetzt ein politischer Filmemacher?
Soderbergh: Nein, überhaupt nicht. Das hat sich so ergeben. Ich habe keine Liste von Themen, die ich nacheinander abhake. Mein nächster Film hat gar nichts mit Politik zu tun.

Interview: Martin Schwickert