WONG KAR-WAI ÜBER »MY BLUEBERRY NIGHTS«

Andere Liebe

Über kulturelle Unterschiede in Gefühlsdingen


Die Kritik zum Film

Mr. Wong, dies ist ihr erster amerikanischer Film...

Für mich ist My Blueberry Nights eher ein Hongkong-Film, den ich in den USA gedreht habe. Was verbindet Sie mit den USA?

Ich bin in Hongkong aufgewachsen und habe den Großteil meiner Kindheit im Kino verbracht. Hongkong war eine britische Kolonie und wir konnten dort sehr viele amerikanische Filme sehen. Wenn ich heute durch die USA reise, ist das für mich auch immer eine cineastische Erfahrung. In New York oder Memphis sehe ich stets Bilder und Kameraeinstellungen, die ich aus Kinofilmen kenne. Dieser Film gab mir die Chance der amerikanischen Kultur meinen Tribut zu zollen. Nicht nur dem Kino, sondern auch der Literatur und der Kunst. New York, Memphis, Las Vegas - was symbolisieren für Sie diese drei Städte?

Die drei Städte sollten in erster Linie die Bandbreite von Elisabeths Reise aufzeigen. Die Südstaaten sind sehr signifikant für die amerikanische Musik und Literatur. Diese Episode erinnert eher an Tennessee Williams. Las Vegas wiederum ist eine Ikone, die für eine ganz andere Seite der USA steht. Wie in einigen Ihrer Hongkong-Produktionen geht es auch in "My Blueberry Nights" um eine gescheiterte Liebe...

Liebe ist nun einmal ein universelles Thema, das von allen Menschen verstanden wird. In My Blueberry Nights geht es weniger um den Verlust der Liebe, als darum, wie man es schafft, einen bestimmten Weg im Leben nicht mehr weiter zu verfolgen. Wenn man merkt, dass einem etwas nicht gut tut, muss man damit aufhören. Aber das ist nicht immer so einfach. Elisabeths Reise hilft ihr eine Person zu vergessen, die ihr sehr wichtig war. Erst dann kann sie weitergehen im Leben. Inwiefern unterscheidet sich der Umgang in Sachen Liebe in der amerikanischen und chinesischen Kultur?

In verschiedenen Kulturen wird Liebe unterschiedlich ausgedrückt. Vor zwanzig Jahren hat in China niemand einfach gesagt "Ich liebe dich." Das wäre eine Art Affront gewesen. Das Gefühl musste nicht direkt ausgesprochen werden. Etwas einfaches wie eine Berührung reichte aus, um es zu zeigen. Im Westen hingegen muss man "Ich liebe dich" sagen, wenn man dieses starke Gefühl empfindet. Wirkt Ihr Film deshalb emotional direkter als frühere Werke?

Ja, sicher. Das ist ein Film über Amerikaner und sie sollen sich so benehmen, wie sie es normalerweise tun. Ich habe so viele Filme über China von westlichen Filmemachern gesehen, die für uns Chinesen sehr bizarr wirkten. Diesen Fehler wollte ich in umgekehrter Richtung nicht wiederholen. Der Film endet mit einem vielversprechenden Kuss - ein Happy End wie man es von Ihnen nicht gewohnt ist.

Ich finde, dass die meisten meiner Filme optimistisch enden. Das Ende von My Blueberry Nights zeigt, dass es zwischen den beiden Figuren die Möglichkeit einer Entwicklung gibt. Der Schluss des Films ist der Anfang einer anderen Geschichte. Und die Geschichte nach dem Kuss kann gut oder schlecht enden. Was macht eine gute Kuss-Szene aus?

Hitchcock hat gesagt, entweder hat eine Szene Suspense oder sie ist eine Überraschung. Das gilt auch für Filmküsse.

Interview: Martin Schwickert