INA WEISSE Ohne Horizont Die Regisseurin über Gedankengebäude und Josef Bierbichler Die Kritik zum Film Was hat Sie als Berlinerin mit Ihrem Debütfilm in die Berge verschlagen? Der Josef Bierbichler. Eigentlich sollte die Geschichte im Harz spielen. Von Berlin aus ist das ja das nächste Gebirge. Aber der Harz und Bierbichler - das passt natürlich nicht zusammen. Als klar war, dass er die Rolle übernimmt, haben wir die richtige Landschaft für ihn gesucht, sind kreuz und quer durch Bayern gefahren, bis wir schließlich durch einen Bergsteiger das richtige Dorf gefunden haben. Die Alpenkulisse wird in der deutschen Filmgeschichte immer noch mit dem Heimatfilm verbundenà Ja, davor hatte ich natürlich Angst. Vor der Schönheit dieser Landschaft. Sie kann sehr schnell pathetisch wirken und das hätte nicht zum Zustand der Figuren gepasst. Deshalb haben wir oft den Horizont aus dem Bildausschnitt rausgelassen. Die Figuren kommen so aus dem weißen Nichts. Die Berge selbst tauchen erst sehr spät auf, wenn sie auch etwas erzählen, von der Endlosigkeit, in der sich die Figuren wiederfinden. Neben Bierbichler scheint der Schnee die zweite Hauptrolle zu spielen. Mögen Sie den Winter? Ja, er erinnert mich an früher. Schnee hat heute etwas Nostalgisches und das passt gut zur Geschichte, die ja auch zurück in die Vergangenheit geht. Dann hat Schnee natürlich auch noch die Bedeutung von Verdeckung, aber mit dieser Symbolik muss man sehr vorsichtig umgehen. Und der Schnee führt in der Geschichte schließlich dazu, dass die Figuren eingeschlossen und miteinander konfrontiert werden. Was bedeutet für Sie Heimat? Heimat ist für mich ein Gefühl, das mit Herkunft gar nicht so viel zu tun hat. Es gibt Orte oder auch Menschen, bei denen man sich zu Hause fühlt. Was hat Sie an der Figur des kriselnden Patriarchen interessiert? Georg ist eigentlich nicht der klassische Patriarch mit einem Weltbild, gegen das man ankämpfen muss. Er ist schon angebrochen und entzieht sich der Familie. Seine Frau und die Kinder sind ja nicht unterdrückt. Sie sind irritiert, kreisen wie Kometen um ihn herum und finden kein richtiges Verhältnis zu ihm. Georg ist eine Art von Mann, die mir öfter im Leben begegnet ist. Ich wollte herausfinden, wie so ein Mann und seine Verdrängungsmechanismen funktionieren. Dennoch behält die Figur bis zum Schluss ein Geheimnis, das sich nie restlos auflöst. Warum haben Sie der Figur den Beruf Architekten gegeben? Ich interessiere mich sehr für Architektur. Am Anfang sagt Georg, dass Architektur der einzige Beruf ist, bei dem man, wenn das Gebäude fertig ist, durch seine Gedanken gehen kann. Und Georgs merkt, dass sein Lebensgebäude nicht richtig gebaut ist. Warum bricht diese Familie erst nach dreißig Jahren auseinander? Weil es einfacher ist, im Kreislauf der Depression zu bleiben, anstatt auszusteigen und anders zu handeln. Diese ewige Wiederholung ist zwar schmerzhaft, aber zumindest bekannt. Wie würden Sie die Faszination, die von Josef Bierbichler ausgeht, beschreiben? Sepp Bierbichler ist jemand der für sich steht, der sich nicht korrumpieren lässt, der nicht wertet. Ich habe großen Respekt vor ihm. Es hat auch eine Weile gedauert, ein Ensemble zu finden, dass stark genug für ihn war. Interview: Martin Schwickert
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