ERWIN WAGENHOFER ÜBER »LET'S MAKE MONEY«

Die Arroganz der Banken

Erwin Wagenhofer über gestürzte Supermänner aus der Bänkerwelt, Wirtschaftskiller und seinen Film »Let's Make Money«


Die Kritik zum Film

Mit dem Börsencrash sind die düsteren Prognosen Ihres Films noch vor dem Kinostart Realität geworden. Fühlen Sie sich bestätigt?

Es war klar, dass es zu dieser Krise kommen musste. Das haben alle Experten vorher gesehen und im Rückblick klingt das umso schrecklicher, dass man trotzdem so ungebremst ins Unheil läuft. Aber offensichtlich braucht es solche Katastrophen, damit die Leute wachgerüttelt werden. Aber Let's Make Money ist kein Film über die aktuelle Bankenkrise. Der Film kritisiert ein Wirtschaftssystem, das vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist.

Sie sind Filmemacher und kein Finanzfachmann. Wie haben Sie sich diesem hochkomplexen Thema genähert?

Richtig, ich bin kein Experte, aber genau das finde ich spannend. Denn Experten sind ganz besonders empfindlich, wenn Laien gewisse Fragen stellen. Und eben das habe ich mir zum Prinzip gemacht. Ich verstehe gewisse Dinge nicht und durch den Film versuche ich, diese Fragen beantworten.

Anders als die Nahrung in »We Feed the World« ist Geld ein eher sehr abstraktes Sujet.

Alle haben mich für verrückt erklärt, als ich sagte, dass ich einen Film über das Finanzsystem machen will. Dem Geldschein kann man - anders als der Tomate in We Feed the World - nicht hinterher reisen. Geld wird in das System eingespeist und dann ist es nur noch eine Buchungszeile. Ich versuche in meinem Film Bilder von den Auswirkungen zu finden und die Haltungen der Personen, die mit dem Geld umgehen, aufzuzeigen. Dazu kommen enorm viel Informationen und daraus muss man dann einen Mix machen, der für das Publikum noch verdaubar ist.

Wie sind Sie an die Gesprächspartner aus der Finanzbrache rangekommen?

Während man sich bei einem fiktionalen Film am Drehbuch orientieren kann, gilt es beim Dokumentarfilm eine Gleichung mit vier Unbekannten zu lösen. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um die richtige Person vor der Kamera zu haben, die dann hoffentlich auch noch das Richtige sagt. Es ist enorm schwer, mit diesen Leuten zu kommunizieren, weil sie so überheblich sind. Und jetzt liegen sie mit all ihrer Überheblichkeit am Boden und wollen gerettet werden.

Der Berufsstand des "Wirtschaftskillers", den Sie im Film vorstellen, war uns bisher nicht geläufig.

Ich habe die Aussagen, die der ehemalige Angehörige des US-Geheimdienstes John Perkins in seinem Buch und auch im Film macht, von einem Weltbankspezialisten in Wien überprüfen lassen. Das, was Perkins beschreibt ist ein extrem effektives Instrument. Eine flexible Einsatztruppe, die mit Krediten der Weltbank ausgestattet ist, wird in ein Land, von dem man z.B. Öl haben will, vorgeschickt, um die dortige Wirtschaftselite zu korrumpieren und in die Verschuldung zu treiben. Das ist eine vielseitig erprobte Methode. Die Mafia macht das auch nicht anders. Und solange das Land einlenkt, ist das sogar eine relativ friedliches Verfahren.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Ich bin kein Prophet, aber diese Krise wird zu einer Rezession und zu irgendeiner Form von Regulierung führen. Aber offensichtlich war die Krise noch nicht stark genug, um ein grundsätzliches Umdenken in Gang zu setzen. Das Geld, was jetzt ins Banksystem gepumpt wird, bekommen ja wieder die Falschen. Das müsste man den amerikanischen Häuslebauern geben, damit die ihre Schulden abbezahlen können.

Interview: Martin Schwickert