INTERVIEW MIT PATRICK STEWART


Den Bildern glauben

Patrick Stewart, der Captain der Enterprise, antwortet Martin Schwickert

Der Film zum Interview



Mr. Stewart, nach 178 Fernsehfolgen und 4 Kinofilmen - wie sehr hat die Figur Jean-Luc Picards die Persönlichkeit von Patrick Stewart verändert?
Stewart: Nicht sehr viel, muss ich gestehen. Ich bewundere Picard. Besonders weil er ein guter Zuhörer ist. Er holt immer den Rat von anderen ein, bevor er etwas entscheidet. Das ist eine Eigenschaft, von der ich und die Gesellschaft etwas lernen könnten. Ich war immer sehr starrköpfig und ein Mann einsamer Entschlüsse, was für andere sehr belastend sein kann. Durch meinen Umgang mit Picard, frage ich heute eher schon einmal: "Nun gut, was denkst du dazu?" ... bevor ich meine einsamen Entscheidungen treffe.
Stimmt es, dass Nemesis wirklich die allerletzte Folge von The Next Generation ist?
Stewart: Ja, das wäre eine sehr gute Idee. Ich habe den Film in den letzten 10 Tagen vier Mal gesehen, und das Gefühl, dass dies das Finale sein sollte, hat sich verstärkt. Ich finde, dies ist unser bester Film, aber ich möchte nicht, dass wir die letzten Gäste sind, die die Star-Trek-Party verlassen.
In Nemesis tritt die Crew der Enterprise zunächst in diplomatischer und dann in militärischer Mission gegen einen Diktator an, der über gefährliche Massenvernichtungswaffen verfügt. Irgendwelche beabsichtigte Parallelen zur aktuellen politischen Situation?
Stewart: Star Trek hat immer aktuelle soziale, politische und kulturelle Themen verarbeitet. Aber die Story von Nemesis existierte schon vor dem 11. September. Trotzdem gibt es auffällige Parallelen zu den jüngsten Ereignissen. Im Hinblick auf den Irak-Krieg liegt es nahe, Elemente der Pers önlichkeit Shinzons über die von Saddam Hussein zu legen. Aber diese Verbindung ist zufällig.
Der Bösewicht Shinzon ist aus dem gleichen Genmaterial wie Picard geschaffen und der Film legt großen Wert auf die Erkenntnis, dass der Mensch durch seine Erfahrungen und nicht durch seine Gene bestimmt wird. Stimmen Sie dem zu?
Stewart: Absolut. Je älter ich werde und je mehr ich über mein früheres Leben nachdenke, desto klarer wird mir, dass wir erheblich durch die Welt um uns herum konditioniert werden. Die Gene bestimmen einen physisch, aber die Erfahrung mit der Umwelt prägt uns emotional und persönlich. Shinzon und Picard starten als physisch identische Wesen und entwickeln sich in komplett unterschiedliche Richtungen.
Und was folgt daraus?
Stewart: Einer der Männer sagt zu Shinzon: Du hast immer die Möglichkeit, dich so oder anders zu entscheiden. Shinzon wird jedoch zu sehr von seiner Vergangenheit kontrolliert, um das zu verstehen. Aber man wünscht sich, dass sich die Herren dieser Welt heute daran erinnern, dass es diese Chance immer gibt.
Wenn Sie selbst durch die Zeit reisen könnten: Würden Sie vor- oder zurückgehen?
Stewart: Zurück. Die nähere Zukunft macht mich nervös.
Was halten Sie von den Entwicklungen des Digitalkinos?
Stewart: Ich bin bestürzt von der ausufernden Computerisierung im Film. Aus einem einfachen Grund: Ich habe aufgehört, den Bildern zu glauben. Als ich Kind war, habe ich im Kino, sobald das Licht ausging, jedes Misstrauen verloren und alles geglaubt, was auf der Leinwand vor sich ging. Heute schaue ich mir Herr der Ringe an und weiß genau, dass nichts davon real ist und all diese Armeen nie existiert haben. Ich glaube, das Kino nimmt großen Schaden, wenn das Publikum nicht mehr unmissverständlich glaubt, was es sieht. Wir sind nur einen Atemzug davon entfernt, dass Leute wie ich überflüssig werden.
Was würden Sie tun, wenn Sie ihrem eigenen Klon begegnen?
Stewart: Ich bin mir schon selbst begegnet. Im Londoner Wachsfigurenkabinett steht ein schrecklich lebensechtes Double von mir, und das hat mich das sehr, sehr nervös gemacht ...