Ridley Scott über »Königreich der Himmel« Jerusalem für alle Über Toleranz, Rittertum und Kreuzzügler Die Kritik zum Film "Königreich der Himmel" spielt zur Zeit der Kreuzzüge. Waren die politischen Parallelen zum Krieg im Irak, wo Christen und Moslems einander bekriegen, ein Grund dafür, dass Sie sich mit dieser Zeit beschäftigten? Nein, der Film war schon lange vor dem Irakkrieg in Planung. Als Student haben mich die Samurai-Filme von Kurosawa sehr fasziniert. Ein Samurai ist nichts anderes als ein fernöstlicher Ritter, und in Kurosawas Filmen wird die Idee der Ritterlichkeit grundlegend definiert. Es war also in gewisser Weise in meiner filmischen DNA festgeschrieben, dass ich einmal einen Ritterfilm drehen werde. Gemeinsam mit dem Skriptautor William Monahan habe ich dann überlegt, wie man einen solchen Film machen kann, ohne das Genre für irgendeinen Action-Abenteuer-Blödsinn zu verschwenden. Monahan hatte dann die Idee, die Handlung in der Zeit der Kreuzzüge anzusiedeln. Trotzdem hat Ihr Film eine klare politische Message: Jerusalem gehört allen - ein politisches Credo mit dem auch Ted Kollek als Bürgermeister von Jerusalem angetreten und gescheitert ist... Trotzdem war er damit im Recht. Unser Film beschreibt eine historische Phase, in der Christen und Moslems in Jerusalem für zehn Jahre friedlich miteinander zusammen lebten und wir zeigen, wie diese Periode von Toleranz und Frieden an der politischen Habgier scheiterte. Was das heutige Jerusalem betrifft, bin ich allerdings der Meinung, dass man weniger in die Geschichte schauen sollte, sondern nach vorne. Der nächste Tag, die nächste Woche und das nächste Jahr sind wichtiger als die Last der Vergangenheit. Im Film heißt es einmal: "In Jerusalem ist kein Platz für einen echten Ritter." Wodurch zeichnet sich ein "echter Ritter" aus? Balian hat ja das Gefühl, dass er diese Ehre erst verdienen muss. Denn damals war der Ritterschlag eine Auszeichnung für Tapferkeit auf dem Schlachtfeld... ...während heute Filmemacher wie Ridley Scott zum Ritter geschlagen werden ... Ja, da wir nicht mehr täglich in den Krieg ziehen, wird diese Auszeichnungen nun für besondere Verdienste in der Kunst oder für die Filmindustrie vergeben. Natürlich war es für mich eine große Ehre, dass ich zum Ritter geschlagen wurde, aber ein bisschen beschämt war ich auch, weil ich dafür nicht auf einem Pferd mit Schild und Schwert in die Schlacht gezogen bin, wie sich das für einen anständigen Ritter gehört. Für die Kinofassung mussten Sie den Film stark kürzen. Fiel Ihnen das schwer? Nein, da ich bin rücksichtslos. Ich versuche, immer selbst mein größter Kritiker zu sein. Deshalb lese ich übrigens auch in der Presse auch nie die Kritiken zu meinen Filmen. Ich will mich einfach nicht von außen beeinflussen lassen. Im Schnittraum analysiere ich das Material. Manche Szenen sind wunderschön, aber langweilig. Aber im Kino geht es um die Dynamik des Erzählens und das bedeutet nicht, in einer Action-Szene möglichst viele Autos zu Schrott zu fahren. Es geht dabei immer um die Information, die im Kontext der gesamten Geschichte vermittelt wird. Zum Glück gibt es ja heute die Möglichkeit eine längere Version auf DVD herauszubringen. Eine DVD sieht man sich an wie man ein Buch liest. Man hält den Film an, holt sich in der Küche ein Bier und schaut dann weiter. Aber im Kino muss man die Geschichte durch den Schnitt so stark wie möglich dramatisieren. Seit "Gladiator" spielen digitale Effekte für den visuellen Stil Ihrer Filme eine große Rolle... Digitale Effekte sind nur ein Werkzeug. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn man morgens um 4 Uhr anfängt mit 100 Kostümbildnern 650 Komparsen anzukleiden, ist man nicht vor 9 Uhr fertig. Es ist Blödsinn mit 5000 Statisten arbeiten zu wollen, weil man dann erst um 14 Uhr, wenn alle schon erschöpft sind, anfangen kann zu drehen. Bevor irgendetwas Kreatives geschehen kann, muss die Logistik stimmen. Die digitalen Effekte geben mir die Möglichkeit, aus meinen 650 Statisten ein Heer von 170.000 Soldaten zu machen. Sie werden geklont und in verschiedene Gruppen und Anordnungen gebracht, damit sie nicht aussehen wie in einem Videospiel. Man kann durch die digital Technik auch manche Dinge bereinigen. Etwa wenn man die Fahrspuren der LKWs im Sand vor den Mauern von Jerusalem sieht, kann man die nachträglich digital wieder entfernen. Wird Ihr nächstes Projekt wieder ein historisches Epos? Mein nächster Film wird eher eine Art Western sein. Die Geschichte spielt in Amerika zur Zeit der Indianerkriege und der Erfindung des Repetier-Gewehr. William Monahan arbeitet gerade am Drehbuch, das auf dem Roman "Die Abendröte im Westen" von Cormac McCarthy basiert. Interview: Martin Schwickert
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