HELGE SCHNEIDER ÜBER »MEIN FÜHRER«
»Ich mach euch den Hitler« Warum Kunst ganz schön viel Arbeit ist und wie man Hitler komisch anlegt
Die Kritik zum Film
Ist es Ihnen schwer gefallen sich für die Rolle von Ihrer Haarpracht zu verabschieden?
Ich wollte ja erst ohne Maske spielen, die Haare zusammenbinden und hinten ins Hemd reinstecken. Aber die Leute von der Produktion wollten das perfekt haben. Die Maske habe ich, nachdem ich mich darauf eingelassen hatte, lieben gelernt. Der Maskenbildner hat allerdings fast vier Wochen gebraucht, um mich dann endlich zu fragen, ob er mir auch die Haare abschneiden darf. War aber halb so schlimm. Ich hatte als Kind auch schon so eine Frisur.
Mit welchen Filmen über die Nazizeit sind Sie aufgewachsen?
Zu meiner Zeit hat man in der Schule kaum etwas über die Nazizeit erfahren. Wir haben über Caesar, die Etrusker oder den Dreißigjährigen Krieg gesprochen, aber fast nie über das Dritte Reich. Im Kino habe ich als junger Mann Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein und Bernhard Wickies Die Brücke gesehen.
Ist es Ihnen schwer gefallen sich zurückzuhalten?
Gar nicht. Es ist ja nicht mein Film. Ich habe nicht Regie geführt, nicht das Buch geschrieben und auch nicht die Musik komponiert. Hier ging es ja nur darum, dass ich die Rolle spiele. Eigentlich habe ich mich gar nicht zurückgenommen. Ich bin in den Charakter eingetaucht. Nicht als Schauspieler, weil ich ja keiner bin. Ich habe einfach nur gesagt: Ich bin jetzt euer Hitler, den ihr für den Film haben wollt. Und das war ein Haufen Arbeit.
Es wurde erzählt, dass sie während der Dreharbeiten im Führer-Outfit durch Berlin stolziert sind.
In einer Pause wollte ich einmal mit der Maske zum Bäcker gehen, aber da haben mich zum Glück noch welche zurückgehalten. Manchmal bin in der Kostümierung mit dem Auto nach Hause gefahren. Aber da hat merkwürdigerweise keiner der anderen Autofahrer reagiert.
Es gab ja schon einige Schauspieler, die Adolf Hitler gespielt haben. Haben Sie sich an denen orientiert?
Ich habe zufälligerweise vor zwei Jahren Der Untergang gesehen und ich war der einzige im Kino, der gelacht hat, als Bruno Ganz das erste Mal auftrat. Nicht weil ich ihn nicht gut fand. Aber die Ernsthaftigkeit, mit der er diese Figur gespielt hat, hat bei mir unwillkürlich ein Lachen hervorrufen. Ansonsten habe ich mich jedoch in der Beziehung nicht gebildet, sondern einfach den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Ich habe gesagt: Ich bin jetzt Adolf Hitler. Mach Kamera an! Das war auch ganz gut so, weil ich so der Figur durch meine Persönlichkeit mehr Tiefe geben konnte. Ich wollte dieser Plastikpuppe Hitler Leben einhauchen, den Menschen darstellen und nicht nur die Witzfigur oder den Bösewicht.
Was, glauben Sie, passiert wenn sich ein junger Neonazi versehentlich in Ihren Film verirrt?
Das kann ich nicht genau sagen. Der wird sicher nicht umgedreht. Aber ich fände es gut, wenn sich solche Leute den Film auch ansehen. Irgendetwas findet immer im Kopf des Zuschauers statt. Da darf man keine Angst vor haben. Für mich ist Mein Führer eigentlich auch kein fertiger Film, sondern eine Grundlage für Diskussionen.
Hätten Sie gerne die Musik zu diesem Film geschrieben?
Ich bin da nicht gefragt worden. Aber wenn ich die Musik dazu gemacht hätte, wäre sicher ein anderer Film draus geworden. Ich hätte eine schrägere Musik genommen. So ist mir das manchmal ein bisschen zu sehr Hollywood. Eine gehörige Portion Reibung auf der Tonspur hätte dem Film ganz gut getan.
Werden wir Sie demnächst öfters im Kino sehen?
Es könnte mal wieder einen anderen Film geben. Aber es war einfach sehr anstrengend. Ich bin 51 und ich weiß nicht, ob ich das noch mal durchstehen möchte. Wenn einer aus Hollywood mir für die Hitler-Rolle für drei Drehtage zwölf Millionen Dollar bieten würde und ich dafür noch einmal die Maske auflegen müsste, würde ich sagen: Och nee, da fahr ich lieber Paddelboot.
Interview: Martin Schwickert
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