MICKEY ROURKE ÜBER »THE WRESTLER« Axt im Kopf Mickey Rourke über Gewalt, Einsamkeit und seine Rolle als »The Wrestler« Die Kritik zum Film Mr. Rourke, hat Ihre Erfahrung als Boxer Ihnen bei der Vorbereitung auf die Rolle geholfen? Als Boxer schaut man auf diese verrückten Typen herab. Ich habe nie viel vom Wrestling und diesen inszenierten Kämpfen gehalten. Beim Boxen versucht man immer aus der Deckung heraus zu arbeiten, aber beim Wrestling holt man - damit es möglichst spektakulär aussieht - ganz weit aus. Da hat sich mein Körper richtig gegen gesträubt. Ich habe sechs Wochen gebraucht, um meine Vorurteile gegen diesen Sport abzulegen und die Schlichtheit der choreografierten Kämpfe schätzen zu lernen. Wie viel von Ihrer eigenen Biografie steckt in der Figur? Als ich anfing mich für den Film zu interessieren, war mir das Drehbuch gar nicht so wichtig. Ich wollte unbedingt mit Darron Aronofsky zusammenarbeiten. Ich hatte viel über diesen Regisseur gehört: dass er sich von den Filmstudios nicht hat kaufen lassen und keine Kompromisse eingeht. Aronofsky hat mich dann ein paar Dialoge umschreiben lassen und deshalb erzählt Ray von einigen Dingen, die ich selbst durchgemacht habe. Ray ist eine einsame Figurà à und ich war eine lange Zeit selbst sehr einsam. Wenn man - wie ich - seine Karriere eigenhändig ruiniert hat, stehen die Leute nicht vor der Tür an, um einen zu besuchen. Mir ging es damals nicht nur ein bisschen schlecht, ich war fast fünfzehn Jahre lang wirklich in einem schrecklichen Zustand. Ich habe meine Frau, mein Haus, mein Geld und meine Karriere verloren. Wie kam es zu diesem Absturz? Ich bin in einem sehr gewalttätigen Umfeld aufgewachsen. Und diese Vergangenheit konnte ich nie wirklich abschütteln. Ich kam einfach nicht damit klar, dass die Leute mich als Filmstar hofiert haben. Wenn ich in ein Restaurant kam, haben die Kellner andere Gäste von ihren Tischen verjagt, damit ich da sitzen konnte. Und dann durfte ich noch nicht einmal die Rechnung bezahlen. Ich habe mich erinnert, wie schwer ich früher als Tellerwäscher oder Aufpasser in einem Puff mein Geld verdient habe. Das hat mich total aufgeregt. Ich dachte: "Jetzt laufen dir die Leute hinterher, aber in deiner Kindheit war keiner da, der dir geholfen hat". Ich bin als Kind misshandelt worden und deshalb habe ich mich als junger Mensch immer sehr minderwertig gefühlt. Dieses Gefühl habe ich dann durch übertriebene Härte kompensiert. Es hat mich sieben Jahre Therapie gekostet, das aufzuarbeiten. Und heute? Dieser kleine Mann mit der Axt in der Hand ist immer noch in meinem Kopf - aber ich habe ihn unter Kontrolle. Was hat geholfen, zum Schauspielhandwerk zurückzukehren? Mein Boxtraining. Beim Boxen lernt man sich zu konzentrieren. Im Ring muss man genau fokussiert und präsent sein, weil man sonst Schläge einsteckt. Diese Konzentration hat mir sehr geholfen. Interview: Martin Schwickert
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