Aus der Knete geboren
Der Film zum Interview
Der »Wallace & Gromit«-Erfinder über introvertierte Hunde und die Sehnsucht nach der Schnaps-Pulle
Mr. Park, »Gromit« ist der einzige Hund, der weder bellt noch beißt.
Als wir seinerzeit die Figuren am College entwickelten, war Gromit zunächst als sprechender Hund angelegt. Aber dann war in der ersten Einstellung, die wir gedreht haben, der Hund so positioniert, dass sein Maul verdeckt und nicht zugänglich war. Er stand so, dass ich nur noch an seine Augenbrauen herankam. In diesem Moment war Gromit als introvertierter, intelligenter Hund geboren, der mit seinen Augenbrauen viel mehr ausdrücken kann als mit einer Stimme. Die Idee verdanke ich also in gewisser Weise meiner Faulheit.
Ist Gromit einem echten Hund nachempfunden?
Ich hatte nie einen Hund. Gromit ist sozusagen der Hund, den ich nie hatte.
Wie hat sich Die Arbeit an diesem Film von Ihren bisherigen Erfahrungen unterschieden?
Es hat sehr viel Zeit gekostet, eine tragfähige Geschichte und die Storyboards entwerfen. Für die Kurzfilme haben wir für die ganzen Einzelbildaufnahmen zu zweit die ganze Animation übernommen. Jetzt waren 30 Animatoren am Werk, für die ich gemeinsam mit Steve Box als Regisseur verantwortlich war. Die Kontrolle über dreißig Sets zu bewahren, war ziemlicher Stress. Ich bin pro Tag rund 5 km hin- und her gelaufen.
In den Kurzfilmen sieht man die Fingerabdrücke auf den Figuren und bekommt ein Gefühl für den Herstellungsprozess. Im Kinofilm haben Sie nun vereinzelt auf Computer-Effekte zurückgegriffen.
Wir haben an einzelnen Stellen CGI benutzt, aber nur dort, wo wir mit dem Knetverfahren nicht mehr weiterkamen. Etwa wenn Wallace alle Kaninchen aufsaugt und sie in der Glasglocke des Saugers schweben. Durch die Glasglocke hatten wir keinen Zugang zu den Figuren und es hätte hundert Jahre gedauert die Szene ohne Computer auf die Beine zu stellen. Aber insgesamt haben wir sehr darauf geachtet, dass wir den Geist der Kurzfilme bewahren. Das Handgemachte ist schließlich ein wichtiger Teil des Humors und der Ausstrahlungskraft der Figuren.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Animationsfilmes ein, in dem die Computertechnik die Handarbeit zunehmend verdrängt?
Ich bin kein Feind von CGI-Filmen. Ich bewundere Filme wie Findet Nemo, weil sie einen Sinn für das Design ihrer Figuren haben. Manchmal sehe ich CGI-Filme, die nach Naturalismus streben, ohne selbst eine gestalterische Idee zu entwickeln. Das mag ich nicht besonders. Aber Wallace & Gromit sind aus der Knete geboren. Mit Plastilin kann man all die menschlichen Emotionen der Figuren ausdrücken, die man möglicherweise am Computer nie hätte entwickeln können.
Waren »Wallace & Gromit« immer als Figuren konzipiert, die sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen?
Ich wollte immer nur Filme für mich selbst machen und habe nie irgendwelche Zielgruppen ins Auge gefasst. Ich bin einfach kein Marketing-Typ. Aber ich habe eine gute Erinnerung daran, was ich als Kind gerne mochte, und davon sind viele Ideen in den Film eingeflossen.
»Die Jagd nach dem Riesen-Kaninchen« verneigt sich nicht ohne Ironie vor den Horrorfilmklassikern wie King Kong oder American Werwolf...
Ja, wir haben uns viele Horrorfilme aus den 40ern angeschaut.
Was ist die wichtigste Eigenschaft für einen Animationsfilmemacher?
Sinn für Humor. Den braucht man, weil es solange dauert. Allein schafft man mit dem Einzelbildverfahren an einem Tag höchstens zwei oder drei Sekunden Film. In einer guten Woche haben wir mit 30 Animateuren zwei Minuten geschafft, und da haben wir schon eine Flasche Schampus aufgemacht.
Interview: Martin Schwickert