INTERVIEW MIT FRANCOIS OZON

OHNE SPUREN

Francois Ozon erzählt, warum der Held seines Sterbe-Dramas schwul sein sollte

In »Unter dem Sand« haben Sie sich mit den Verlustgefühlen nach dem Tod auseinandergesetzt. Jetzt nähern Sie sich dem Thema Tod aus der Perspektive eines Sterbenden. Warum ist dieses Thema für Sie so wichtig?

Es ist der Versuch, mich mit der Idee des Todes anzufreunden. Ich komme aus eine Generation, in der die Sexualität mit der Gefahr von AIDS verbunden war. Viele Leute um mich herum sind sehr jung gestorben. Aber dies ist weniger ein Film über den Tod als über die Zeit davor. Wir alle wissen, dass wir irgendwann einmal sterben werden. Aber es ist etwas anderes, wenn man weiß, dass man nur noch drei Monate zu leben hat.
Warum verkriecht sich Romain so sehr in sich selbst?
Ich glaube, es ist ein Klischee, dass Leute, die wissen, dass sie sterben, anfangen aufregende Sachen zu tun. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die in einer ähnlichen Situation waren. Viele habe erzählt, dass ihre erste Idee gewesen sei, eine große Reise zu machen, Drogen zu nehmen und mit möglichst vielen Leuten zu schlafen. Aber sie haben es nicht getan, sondern versucht eine Spiritualität zu finden und Sinn in ihr Leben zu bringen. Romain geht einen schwierigeren, aber realistischeren Weg.
Warum haben Sie sich entschieden, einen schwulen Mann auf diese Reise zu schicken?
Ich war nicht sehr zufrieden mit meinem letzten Film 5x2 . Ich hatte das Gefühl, dass ich mich zu sehr auf die Seite der Frau geschlagen habe. Deshalb wollte ich in diesem Film unbedingt eine männliche Figur ins Zentrum rücken. Warum es ein schwuler Mann sein sollte? Schwule Männer hinterlassen normalerweise keine Spur, weil sie keine Kinder zeugen. Dieser Aspekt machte die Figur für mich stärker.
Ist dies ihr persönlichster Film?
Bei diesem Film denken viele, es sei mein persönlichster, weil es ein sehr einfacher Film ist. Die Leute denken, Romain sei sehr nahe an mir dran. Das verstört mich ein bisschen. Aber da kann man nichts machen.
Mit Jeanne Moreau haben Sie nach Charlotte Rampling und Catherine Deneuve eine weitere Ikone des französischen Kinos unter Vertrag genommen.
Da ich immer entschlacktere, einfachere Filme machen will, ist es natürlich toll, wenn man Schauspieler hat, die eine ganze Geschichte mit sich bringen und man deshalb nicht so viel über die Figur erklären muss. Das ist mir bewusst geworden, als ich mit Charlotte Rampling gearbeitet habe. Da genügte eine Großaufnahme, und alles war gesagt.
Sie werden oft mit Fassbinder verglichen, der seine Schauspielerinnen gerne beschimpft hat. Wie gehen Sie mit Ihrem Personal um?
Ich habe immer häufiger beim Schreiben schon einen bestimmten Schauspieler im Kopf und arbeite mit ihnen oft schon beim Skript zusammen. Diese Vertrauensbeziehung macht sich später auch beim Drehen bezahlt. Ich mag keine Kämpfe auf den Set. Filmemachen soll mir und den anderen Spaß machen.

Interview: Martin Schwickert


Die Kritik zum Film