BIRGIT MINICHMAYR WER LIEBT MEHR? Birgit Minichmayr über die Liebe im Wechsel der Generationen und über ihre Rolle in »Alle Anderen« Der Film zum Interview
Lieben Frauen und Männer anders? Ich glaube schon, dass der Stellenwert der Liebe bei Frauen höher ist als bei Männern. Allerdings merke ich, dass sich im Verhältnis der Geschlechter zueinander in letzter Zeit etwas verändert hat. Für immer mehr Frauen sind Beruf und Liebe gleich wichtig und bei den Männern geht die Entwicklung in eine ähnliche Richtung. Zumindest merke ich in meinem Umfeld, dass Männer ihre Verantwortung als Väter sehr stark leben. Daheim hatten wir die klassische Rollenaufteilung: Meine Mutter war zu Hause und hat die Kinder groß gezogen. Mein Vater ist arbeiten gegangen und war abends zu erschöpft, um sich auf uns kleine Quälgeister einzulassen. Diese Aufteilung scheint sich heute zu verändern. Ist die Art der Beziehungsunfähigkeit, die »Alle Anderen« schildert, typisch für Ihre Generation? Zu mir hat neulich jemand gesagt: "Meine Großeltern lebten zusammen, meine Eltern haben sich getrennt und ich lasse mich erst gar nicht auf eine Beziehung ein." In meiner Generation tun sich Paare sehr schwer damit, sich füreinander zu entscheiden. Sie geben schnell auf, wenn es ihnen zu kompliziert wird. Meine Eltern hatten sich für zwei Jahre getrennt. Sie sind dann wieder zusammen gekommen, mit der Erkenntnis, dass sie auch mit einem neuen Partner wahrscheinlich am selben Punkt scheitern würden, und beschlossen, dieses Muster gemeinsam aufzulösen. Gitti sagt einmal, dass sie für Chris gern eine Andere wäre. Kennen Sie das Gefühl? Als Schauspielerin kann ich natürlich immer in bestimmte Rollen schlüpfen und mich darin ausprobieren. Trotzdem kenne ich diesen Wunsch. Das ist ja eher eine Angst, die Gitti empfindet, den anderen mehr zu lieben als er sie zurückliebt. Das Gefühl sich angreifbar, schutzlos und abhängig von der Gegenliebe des anderen zu machen, kenne ich sehr gut. Die Dialoge in »Alle Anderen« wirken sehr authentisch. Hatten Sie als Schauspielerin Einfluss auf das Skript? In diesem Film ist nichts improvisiert. Alles war genau festgelegt. Das ist die große Begabung von Maren Ade. Ihre Dialoge sind sehr präzise. Da gab es keinen Satz, der nicht gut im Mund lag. Monica Bleibtreu hat Sie einmal als eine Schauspielerin bezeichnet, die sich verschwendet. Haben Sie auch manchmal Angst sich aufzubrauchen? Nein, ehrlich gesagt nicht. Die reine Anwesenheit des Publikums, das einem zusieht, einen nährt, und natürlich auch der Applaus. Es ist für mich immer gleichzeitig ein Geben und Nehmen. Auch bei einem Film?W0Beim Film ist es schwieriger. Da gibt man die Verantwortung ab. Mit den Entscheidungen, die im Schneideraum getroffen werden, hat man nichts mehr zu tun. Nach Drehschluss verfolgen mich oft böse Geister, wenn ich Angst habe, nicht genug gegeben zu haben, was im Film für immer sichtbar bleiben wird. Auf der anderen Seite liebe ich beim Film die Feinarbeit, mit der man sich um jede Pore kümmern kann. Interview: Martin Schwickert
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