JAN JOSEF LIEFERS ÜBER »BIS ZUM ELLENBOGEN« Chefärzte und Oberförster Jan Josef Liefers über das deutsche Fernsehen und seinen Beitrag zu »Bis zum Ellenbogen« Die Kritik zum Film Wie ist dieses Low-Budget-Projekt entstanden? Ich kenne Justus von Dohnányi noch aus der Zeit am Hamburger Thalia-Theater. Ich wusste, dass er schon lange den Wunsch mit sich herumtrug, einen eigenen Film zu drehen, und ich hatte auch schon ein paar Drehbuchentwürfe gelesen. Dann holte der Kaiser Franz die Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland und das brachte uns dieses Zeitfenster, das man mit drei vielbeschäftigten Schauspielern nur selten zur Verfügung hat. Während der WM wurde nämlich so gut wie nichts in Deutschland gedreht. Wir hatten Zeit, aber noch keine richtige Geschichte. Justus hat dann die Idee, die er im Kopf hatte, auf die WM umgestrickt und wir sind einfach reingesprungen. Es war gar nicht zu erwarten, dass daraus einmal ein fertiger Film wird, der dann auch noch in die Kinos kommt. Was hat Sie an dem Projekt über den Freundschaftsdienst hinaus gereizt? Der Gedanke auf diese schnelle spontane Art einen Film entstehen lassen. Es hat großen Spaß gemacht so unabhängig zu arbeiten. Wenn man den klassischen Weg der Filmfinanzierung in Deutschland gegangen wäre, hätte man wahrscheinlich viel Zeit damit verloren, bei den Fördergremien und Fernsehsendern in ratlose Gesichter zu blicken. Haben Sie den Film komplett selbst finanziert? Von mir steckt kein Geld drin. Aber Justus und Stefan haben ihr Sparschwein aufgeknackt und alle Beteiligten haben auf Rückstellung gearbeitet. Wir wollten nicht auf die Förderung warten, sondern einfach loslegen. Aus Geldmangel haben wir in den Sets, die uns Bekannte und Freunde zur Verfügung gestellt haben, auch gewohnt. Nach Drehschluss haben wir die Betten aufgeschüttelt und dort dann übernachtet. In dem Film gibt es eine Szene, in der wir in eine Bank einbrechen. Die sollte in Zeitlupe gedreht werden, aber dafür hatten wir kein Geld. Deshalb haben wir einfach die ganze Szene in Zeitlupe gespielt - das war das ultimative Low-Budget-Gefühl. Sind Ihnen Aufschneider wie Achim im Filmgeschäft schon oft begegnet? Die wichtigste Fähigkeit ist heute, dass man den Leuten ein X für ein U vormachen kann. Morgens in einem Lufthansa-Flug ist die ganze Maschine voll mit solchen Leuten, die aussehen wie die perfekten Global-Player: schnieke Anzüge, weiße Hemden, dazu ein hipper Schlips, wie ihn die Lifestyle-Magazin empfohlen hat. Es ist heute ganz leicht auszusehen, als wäre man ein echter Leader, der die Welt nach seinen Absichten formt. Mögen Sie schwarzen Humor? Ihre Rolle als Gerichtsmediziner im "Tatort" geht ja auch in diese Richtung... Ich habe etwas übrig für schwarzen Humor. In Deutschland hält man sich allzu oft an politisch korrekten Themen fest. Die deutsche Serie führt uns immer diese Chefärzte und Oberförster vor, die so durch und durch gut sind. Das kommt sicherlich daher, dass die Deutschen in ihrer Geschichte um die große Vaterfigur betrogen worden sind. Aber wenn man sich einmal jenseits dieser Linie bewegt, ist das Publikum sehr dankbar. Ich glaube, ein Teil des Erfolges unseres "Tatorts" besteht darin, dass wir diese politisch korrekten Grenzen auch mal überschreiten. Aber was lässt uns über Leichen lachen? Dinge, über die man lacht, verlieren ihren Schrecken. Der Tod fasziniert uns, weil wir ihn nicht fassen können. In der abendländischen Kultur ist der Tod tabuisiert, während er in anderen Kulturen als fester Bestandteil des Daseins begriffen wird. Bei uns sind die Altersheime meistens an der Stadtperipherie hinter Rhododendrenbüschen versteckt, damit wir uns nicht damit konfrontieren müssen. Das einzige, was wir wissen, ist, dass wir eines Tages ins Gras beißen müssen. Daraus kann man Horrorfilme drehen oder eine schwarze Komödie. Sie haben selbst auch schon mehrfach Regie geführt. Was treibt deutsche Schauspieler immer wieder in den Regiestuhl? Jeder Schauspieler kennt das Gefühl, in einem Film mitgewirkt zu haben, der nicht so erzählt wurde, wie er hätte erzählt werden sollen. Außerdem muss man ab und zu einmal seine Leidensfähigkeit auf den Prüfstand stellen. Als erfolgreicher Schauspieler könnte man ein nahezu paradiesisches Leben führen. Ab und an in die Karibik oder mal eine Ayurveda-Klinik ausprobieren - von so einem Leben verabschiedet man sich, wenn man sich dafür entscheidet, selbst Filme zu machen. Aber irgendwann nerven einen einfach die Grenzen des Schauspielerberufes. Allein im Schnitt passiert schon soviel, auf das man als Schauspieler keinen Einfluss mehr hat. Wenn man sich schon oft geärgert hat, was andere mit der eigenen Arbeit gemacht haben, will man irgendwann einfach einmal einen Film selbst verantworten. Interview: Martin Schwickert
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