DANI LEVY ÜBER »DAS LEBEN IST ZU LANG« EINE ECHTE GELIEBTE
Dani, warum ist das Leben zu lang? Weil man zu viel Zeit vergeudet oder: weil man zu wenig Zeit vergeudet... Nein, das Leben ist natürlich nicht zu lang, aber es fühlt sich durchaus lang an. Es stimmt zwar, was die meisten Leute empfinden, dass die Jahre vorbeirauschen, wenn man auf die Zahlen schaut, auf die Tage, aber wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, wie lange meine Kinder schon auf der Welt sind, mit denen ich jeden Tag bewusst erlebe, dann fühlt sich das beruhigend lange an. Wenn man den Film gesehen hat, kommt man nicht umhin zu fragen, ob das ein autobiographischer Film ist. Wie viel Dani Levy steckt in Alfi Seliger? Das Drehbuch entstand aus der Sehnsucht, einen Film über einen Künstler, einen Filmemacher, über meine Liebe zum Film zu machen. Einen möglichst ehrlichen Film, so wie das Truffaut, Fellini, Woody Allen oder Almodovar gemacht haben. Also auch einen Film über die Kunstform Film. Können Filme die Wahrheit sagen? Was ist Sein und Schein, was Realität und Illusion. Ich habe Filmemachen nie anders verstanden, als dass man die Geschichten, die man erzählt, subjektiv und individuell durchdringt. Trotzdem geht es Alfi Seliger wesentlich schlechter als mir. Inwiefern?
Sein Leben ist dabei, sich aufzulösen. Er erlebt die Filmbranche und seine Familie als ein Netz von Verschwörungen. Er fühlt sich isoliert und verzweifelt an der Konsenskultur. Die Frage ist aber auch, ob ein leidenschaftlicher Künstler überhaupt familientauglich ist. Je verrückter er ist, umso schwieriger lassen sich die zwei Welten miteinander vereinbaren. Kunst macht man nicht nur als Beruf, das ist eine echte "Geliebte". Alfi Seliger ist ziemlich egomanisch. Ja, Egozentrik ist kein gutes Lebensprinzip. Es macht einsam und unglücklich. Grundsätzlich glaube ich, dass wenn sich Menschen jahrzehntelang dafür abrackern, Geld, Erfolg, gesellschaftliches Ansehen und Macht zu haben, es eines Tages ein böses Erwachen gibt. Die Besetzungsliste liest sich ungewöhnlich und sehr prominent. Beim Drehen war das ganze Ensemble ein echter Zirkus. Es liegen Welten zwischen Veronica Ferres und Udo Kier, dem Theatermann Hans Hollmann und Yvonne Catterfeld, Meret Becker und Elke Sommer, dazwischen meine Tochter und Kurt Krömer - aber irgendwie hat sich das zum großen Ganzen gefügt. Ich hatte die gleiche Erfahrung schon bei "Alles auf Zucker!" gemacht, dass sich solche Widersprüche in Komödien aufs Schönste vereinen lassen. Der Film hat viele Facetten, kleine Geschichten und zwei radikale Wendungen. Was ist für dich das Herzstück des Filmes? Auf der emotionalen Ebene ist es eine berührende Familiengeschichte. Auf der philosophischen Ebene ist es die Frage der Schicksalhaftigkeit. Und ob wir in der Lage sind, eine zweite Chance im Leben, wie sie Alfi Seliger bekommt, zu erkennen. Wie bei der russischen Matrjoschka-Puppe entblättert sich in "Das Leben ist zu lang" um die Filmrealität eine weitere, größere Realität. Und auch um diese Realität gibt es eine größere Realität. Wer weiß schon, was in unserem Leben echt ist und was nicht? Das Kino ist eine unglaubliche Erfindung. Es schafft eine künstliche Realität, die - manchmal zumindest - als real in unser Bewusstsein dringt. In einem guten Film kann ich alles um mich herum vergessen, ich erlebe die Geschichte wie einen eigenen Traum. Und trotzdem ist Film ein zutiefst handwerklicher und technischer Vorgang. Das ist doch verrückt...
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