Felix Herngren über »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« Dunkle Natur Regisseur Felix Herngren über schwedischen Humor und seinen Film »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« Der Film zum Interview Jonas Jonassons Roman ist ein internationaler Bestseller. Hat Sie der Erfolg des Buches als Regisseur unter Druck gesetzt? Über die Popularität des Buches habe ich wenig nachgedacht. Wenn man einen Film dreht, will man in erster Linie eine gute Story als Grundlage haben. Und da arbeite ich lieber mit einem Bestseller und den damit verbundenen Erwartungshaltungen, als mit einem Roman, für den sich niemand interessiert. Warum lieben so viele Leser dieses Buch? Der Roman ist unheimlich witzig. Man hat eine Menge zum Lachen, kommt aber auch gleichzeitig ins Grübeln über die eigene Lebenssituation. Die Hauptfigur ist hundert Jahre alt. Der Mann macht sich keine Sorgen um die Zukunft und ist auch mit seiner bewegten Vergangenheit im Reinen. Und das ist sehr ungewöhnlich für unsere westliche Gesellschaft. Wir grübeln über unsere Versäumnisse, sorgen uns um die Zukunft, legen Geld auf die hohe Kante, machen Karriere, kaufen viel zu große Häuser und enden irgendwann trotzdem allein ohne Freunde und mit sporadischen Familienbesuchen in irgendeinem Altersheim. Das ist eine sehr traurige Vorstellung. Wenn man Jonassons Roman liest, bekommt man ein wenig Hoffnung, dass es im Alter doch noch ein wenig abenteuerlicher zugeht. Ist Allan ein Vorbild? Natürlich ist Allan alles andere als ein politisch korrekter Held. Aber es ist ja gerade auch befreiend, über einen Mann zu lesen, der unbeabsichtigt für den Tod des einen oder anderen Menschen verantwortlich ist, ohne dass ihn sein Gewissen quält. Allan gerät mitten in die zeitgeschichtlichen Wirren des 20. Jahrhunderts, ohne wirklich Position beziehen zu müssen. Ein Prototyp für die schwedische Neutralität? Stimmt. Er trifft Stalin, Franco und Truman und kümmert sich nicht darum, dass diese Menschen Massenmörder sind, sondern trinkt lieber einen Schnaps mit ihnen. Das ist schon ein wenig schwedisch. Und wie schwedisch ist der trockene Humor des Filmes? Der schwedische Humor ist von eher dunkler Natur. Deshalb wollte ich den Film auch nicht als Komödie. Mit Robert Gustafsson hat zwar einer der bekanntesten schwedischen Komiker die Hauptrolle übernommen, aber ich habe streng darauf geachtet, dass er sich zurücknimmt. Die Geschichte ist so drastisch und absurd: Wenn man das als Komödie inszeniert, verliert sie ganz und gar ihre Glaubwürdigkeit. Wie eng haben Sie mit Jonas Jonasson zusammengearbeitet? Jonasson hat gleich gesagt: "Ich habe das Buch geschrieben und du machst den Film." Ich habe ihm verschiedene Versionen des Drehbuches zukommen lassen, aber er wollte das nicht lesen. Dann habe ich ihm die Rohschnittversion geschickt, auch die wollte er nicht sehen. Jonasson hat den Film eine Woche vor der schwedischen Premiere angeschaut. Und ich habe eine SMS von ihm bekommen, darin stand: "Ich habe mir den Film dreimal angesehen. Beim ersten Mal war es ein großer Schock. Beim zweiten Mal fand ich ihn ganz ok. Und beim dritten Mal habe ich ihn geliebt." Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. In Deutschland werden Bestsellerverfilmungen zunehmend in Englisch gedreht, in der Hoffnung, auf dem globalen Markt Fuß zu fassen. Stand das auch zu Diskussion? Das ist ein Film, der um die weite Welt reist, in dem Spanisch, Englisch und eine wenig Russisch gesprochen wird. Da hätte es sich seltsam angefühlt, wenn Allan plötzlich nur noch Englisch gesprochen hätte. Uns ging es in erster Linie darum, dass er in Schweden funktioniert. Wenn er dann international gut ankommt, ist das ein Bonus. Interview: Martin Schwickert
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