MICHAEL HANEKE ÜBER »FUNNY GAMES U.S.«

Angst vor Arthouse

Michael Haneke über Gewalt im Film und sein Remake "Funny Games U.S."


Die Kritik zum Film

Funny Games" versteht sich als ein Statement gegen den Gewaltkonsum in Kino und Fernsehen. Glauben Sie, dass Ihr Film davor gefeit ist, sadistische Bedürfnisse zu wecken? Das ist so eine Gretchenfrage. Wenn man dieses Thema künstlerisch anpackt, kann es immer zu Missverständnissen kommen. Aber ich glaube nicht daran, dass ein einzelner Film eine Gewaltvorlage sein kann. Die Summe der Gewaltpornografie führt zu einer Herabsetzung der Hemmschwelle. Man gewöhnt sich an die Gewalt. Dadurch dass sie permanent in den Nachrichten oder in Filmen präsent ist, verliert die Gewalt ihre Ungeheuerlichkeit. Darin liegt die Gefahr.

Hat sich in den letzten elf Jahren, die zwischen Original und Remake liegen, die Situation verändert?

Die Gewaltpornografie wuchert. Und es wird noch schlimmer werden. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn man in einem Dokumentarfilm von den Anfängen des Kinos bis heute aus jedem Jahr einen Kinomord zeigen würde, könnte man sehen, wie das Kino die Gewalt immer mehr entrealisiert und spektakulärer gestaltet hat, damit man sie besser konsumieren kann.

Dennoch muss das Kino auch die Möglichkeit haben, die gewalttätige Realität zu reflektieren.

Das ist in den audiovisuellen Medien eine besonders schwierige Angelegenheit, weil diese von Bewegung und Attraktion leben. Gewalt unattraktiv darzustellen, aber trotzdem ihr die Wucht zu lassen, die sie nun einmal de facto hat - das ist extrem schwierig. Das Mainstream-Kino entrealisiert, überdreht oder ironisiert Gewalt. Pulp Fiction ist dafür ein Musterbeispiel. Wenn da der Kopf weggeblasen wird, herrscht ein Riesengelächter im Saal. Das ist perfekt gemachter Zynismus im Dienste der Verkaufbarkeit.

Ein britischer Kritiker hat behauptet, man könne "Funny Games" mit seinem Angstszenario in den USA auch als Rekrutierungsvideo für die Waffenlobbyisten der "National Rifle Organisation" verwenden.

Ich hege den Verdacht, dass Leute, die so etwas schreiben, den Film absichtlich missverstehen wollen. Wenn ich den Film, ohne die ganzen selbstreflektiven Elemente gemacht hätte, würde sich wahrscheinlich keiner aufregen. Das ist so, als würde man einer Katze zusehen, wie sie eine Maus tötet. Das dauert so etwa eine viertel Stunde. Dann kommt einer und sagt: Wieso schaust du das an? Und natürlich bekommt der Betrachter ein schlechtes Gewissen und ist dann auf den sauer, der ihn auf die Brutalität des Schauspiels hingewiesen hat. Das ist der Effekt des Films.

In welchem Regal soll "Funny Games" in der Videothek einsortiert werden?

Ich hoffe bei den Horrorfilmen. Aber ich befürchte, dass er in den deutschen Videotheken in der Arthouse-Ecke landet.

Interview: Martin Schwickert