Dennis Gansel über »Die Welle« EXTREM ERNÜCHTERND Regisseur Dennis Gansel über das politische Kino der 70er und der Gegenwart Die Kritik zum Film
Das Schulexperiment, auf dem Ihr Film fußt, fand in den Sechzigern statt. Ist der Stoff heute noch aktuell? Damals gab es z.B. Mitgliedskarten und wer eine Welle auf der Karte hatte, war verantwortlich dafür Regelverstöße zu melden. Wir haben entschieden, dass diese Art der Bespitzelung heute so nicht mehr funktionieren würde. Der Film will auch Lust auf "Die Welle" machen und zeigen, was an so einer Bewegung spannend ist. Wenn meine Oma vom BDM erzählte, hat sie von der Susi gesprochen, die sonst immer die arrogante Zahnarzttochter war und plötzlich mit ihr zusammen in Kärnten am Lagerfeuer sass. Wenn man sich mit Faschismus beschäftigt, muss man von solchen Mechanismen erzählen. Es gibt kaum Schüler, die der "Welle" etwas entgegensetzen. Ein Mädchen in der Klasse wird eher unfreiwillig zur Gegnerin der Bewegung. Im Roman gab es ja so eine Sophie-Scholl-Figur, die von Anfang an dagegen ist und alles sofort durchblickt. Es denken immer alle, dass sie im Dritten Reich Anne Franks und Sophie Scholls gewesen wären. Ich halte das für ausgemachten Unsinn. Widerstandsbiografien entstehen eher aus Zufällen heraus. Das wollten wir mit der Figur der Karo deutlich machen. Sie ist eine sehr eitle Person. Nur weil ihr das weiße Hemd nicht steht, verlässt sie die Gruppe. Wieso trifft man heute kaum noch Filmemacher, die zugeben, dass sie die Welt verändern wollen? Man hat das doch bei Michael Moore gesehen. Sein Anti-Bush-Film Fahrenheit 9/11 konnte die Wiederwahl nicht verhindern. So etwas ist extrem ernüchternd. Mit einem Kinofilm erreicht man meistens doch nur Schichten, die ohnehin schon für das Thema sensibilisiert sind. Sind Sie trotzdem ein politischer Filmemacher? Ich würde gerne versuchen so ein bisschen das amerikanische Politkino der siebziger Jahre wieder zu beleben. Ich will schon seit Jahren einen Film über Terrorismus machen. Terrorismus und die Art, wie er ausgenutzt wird, um bestimmte Dinge politisch durchzusetzen - das wird das bestimmende Thema in den nächsten Jahrzehnten sein. Aber bei den Finanziers heißt es immer, dass man in Deutschland keine politischen Filme sehen will. In den USA kommen eine Menge Filme heraus, die sich mit dem Irak-Krieg auseinander setzen und vom Publikum gründlich ignoriert werden. Man muss natürlich sagen, dass die Politthriller wie etwa Von Löwen und Lämmern leider auch nicht sehr gut gemacht sind. Die sind einfach zu langweilig. Man muss das umsetzen wie JFK oder Die drei Tage des Condor , der für seine politischen Themen sensibilisiert und dabei irrsinnig unterhaltsam ist. Es gab in Deutschland immer ein Missverständnis, dass Politik im Kino immer gleichbedeutend mit Langeweile ist. Auf der Seite der Kreativen ist in Deutschland mittlerweile eine neue Generation am Werk. Aber bei den Finanziers muss hier noch gründlich Überzeugungsarbeit geleistet werden. Bisher sieht es bei der Filmförderung doch so aus: Entweder man macht Filme wie Christian Petzolds Die innere Sicherheit , was nun gar nicht meine Art ist. Wie man über Terrorismus so einen langweiligen Film drehen kann - da gehört man wirklich mit kaltem Reis geschlagen. Oder man zielt auf Filme wie Keinohrhasen . Für beides gibt es eine Berechtigung. Es gibt ja große Fans von Petzold, und Til Schweiger zieht auch genug Leute ins Kino. Aber dazwischen klafft im deutschen Kino eine gewaltige Lücke und die muss dringend ausgefüllt werden. Interview: Martin Schwickert
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