FOREST WHITAKER ÜBER »DER LETZTE KÖNIG VON SCHOTTLAND«
Im Bauch der Bestie
Warum es keine afrikanischen Filme über afrikanische Themen gibt
Die Kritik zum Film
Mr. Whitaker, Idi Amin ist einer der gefürchtetsten Herrscher der Nachkriegsgeschichte gewesen. Hatten Sie Angst vor dieser Rolle?
Ich habe immer ein wenig Angst vor einer neuen Filmfigur. Ich war mir nicht sicher, ob ich rechtzeitig vor Drehbeginn die innere Wahrheit dieser Figur finde würde. Mir ist es wichtig, eine Figur genau zu erkunden und an der Auseinandersetzung mit ihr zu wachsen.
Besteht da nicht auch die Gefahr, dass man sich in einer solchen Figur verliert?
Nein. Ich spiele gerne Figuren, die komplett anders sind als ich. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich einen Bösewicht gespielt habe. Ghost Dog ist zwar eine sehr spirituelle Figur, aber immerhin bringt der im Laufe des Film fast zwanzig Leute um. In Panic Room habe ich einen Mann gespielt, der eine Frau und ein Kind in einem abgeschlossenen Raum vergasen will.
Sie haben in Uganda gedreht. Wie sind die Menschen mit der "Wiederauferstehung" umgegangen?
Das Überraschende war, dass viele junge Leute in den abgelegenen Gebieten, keine Vorstellung davon hatten, wie Idi Amin ausgesehen hat. Dort gab es kein Fernsehen, die meisten kannten Amin nur als Legende. Aber es geht ja auch nicht darum, dass sie mich für Idi Amin halten. Wichtiger war es mir, dass die Leute geglaubt haben, dass ich Afrikaner bin. Ich wusste, dass ich auf der richtigen Spur war, wenn ich nicht mehr als Amerikaner wahrgenommen wurde.
»Blood Diamond«, »Catch a Fire«, »Der letzte König von Schottland« - warum ist das Thema Afrika in Hollywood gerade so wichtig?
Unser Film erzählt eine Geschichte über Korruption und Macht und über den Westen, der davon profitieren will und glaubt, alles besser zu wissen. Wir leben in einer Zeit, in der wir lernen, was es bedeutet in andere Länder zu gehen, um ihnen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben leben sollen. Wenn wir in den Irak oder Afghanistan einmarschieren und den Leuten dort sagen, dass sie nach unseren Ansichten leben sollen - das kann man nennen, wie man will, aber es ist immer eine Art des Kolonialismus. Und wenn man die Wurzeln der blutigen Konflikte in Afrika verfolgt, gelangt man ebenfalls immer wieder zum Kolonialismus. Es ist wichtig klar zu stellen, dass wir im Westen mit den Konflikten verbunden sind. Und genau davon erzählen die genannten Filme.
Glauben Sie, dass diese Filme die Aufmerksamkeit des westlichen Publikums für Afrika schärfen?
Die Aufmerksamkeit gegenüber Afrika verändert sich in Europa, aber auch in den USA langsam. Man muss dabei aufpassen, dass man auch die Schönheit Afrikas darstellt und nicht nur den Horror. Denn wenn man immer nur von Kriegen, Hunger und Krankheiten erzählt - warum sollen Menschen dann dort investieren? Da muss man eine Balance finden.
Warum werden diese Themen von Hollywood und nicht von afrikanischen Filmen aufgegriffen?
In Uganda zum Beispiel gibt es überhaupt keine Filmindustrie, keine Filmschule, kein Labor. Die meisten afrikanischen Filme werden in Nigeria und in Südafrika gedreht. Man kann dem Westen nicht vorwerfen, dass er Filme über Afrika aus seiner Sicht macht. Als afroamerikanischer Schauspieler spüre ich eine bestimmte Verantwortung, solche Filme zu unterstützen und meine Figur möglichst wahrheitsgetreu zu spielen.
Wo liegt die Wahrheit der Figur Idi Amin ?
Der Glaube an die absolute Macht ruft immer kriegerische Auseinandersetzungen hervor. Ob das in Uganda, im Nahen Osten oder in Nordkorea ist. Es gibt viele Figuren auf der Weltbühne, auf die sich diese Geschichte übertragen lässt.
Sie haben gerade den Oscar für diese Rolle bekommen. Was wird sich dadurch für Sie verändern?
Über den Oscar habe ich mich sehr gefreut, weil ich wirklich hart an dieser Rolle gearbeitet habe. Ich bin seit 27 Jahren im Filmgeschäft und ich weiß, wenn man eine solche Auszeichnung bekommt, sollte man sich die Freude darüber auch gönnen. Ich bin mit meiner Karriere soweit eigentlich ganz zufrieden. Aber ab und zu ist es ganz gut, wie beim Computer, den "Refresh"-Knopf zu drücken und vielleicht ist der Oscar dafür ja eine gute Chance.
Interview: Martin Schwickert
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