»Der Mondmann - das Interview«

ES GAB KEINEN ECHTEN ANDY KAUFMAN

Der Komiker Andy Kaufman, den Milos Forman portraitiert, passt gut in die Galerie von Rebellen und Außenseitern, über die Forman mit Vorliebe Filme macht. Martin Schwickert sprach mit dem Regisseur über Komiker, Verrückte und Jim Carrey.


Die Kritik zum Film

Haben Sie Andy Kaufman jemals selbst kennengelernt?
Zum ersten Mal habe ich Andy Kaufman live Anfang der 70er, als er noch völlig unbekannt war, in einem Comedy-Club in Los Angeles gesehen. Das war ein offener Abend für junge Talente. Dort durfte jeder auftreten, der glaubte, das Publikum zum Lachen bringen zu können. Damals kam Andy Kaufman auf die Bühne und sagte: Ich werde Ihnen jetzt eine Kurzgeschichte vorlesen ... und erzählte zehn Minuten lang haarklein, worum es in dieser Story ging. Wir haben alle gewartet und waren gespannt auf die Pointe. Dann schlug er das Buch auf und las die komplette Kurzgeschichte mit monotoner Stimme vor, von der wir ohnehin schon jede Einzelheit wussten. Die ersten Minuten hat er mir einfach nur leid getan. Es war peinlich. Aber wenig später lagen wir alle auf dem Boden vor Lachen und wussten nicht warum. Das hat mich schwer beeindruckt.
Wie war Andy Kaufman, wenn er nicht auf der Bühne stand?
In der Vorbereitungsphase haben wir hart daran gearbeitet, herauszufinden, wer Andy Kaufman wirklich war. Wir befragten seinen Agenten, den Vater, die Geschwister und seine Freundin. Und wir haben immer die gleiche Antwort bekommen: Es gab keinen echten Andy Kaufman. Er hat seine Charaktere nie verlassen. Vielleicht war der echte Andy Kaufman ganz langweilig und gleichzeitig schlau genug dies nicht zu zeigen.
Mit Tony Clifton hat Andy Kaufman ein zweites ihm völlig entgegengesetztes Ego entworfen. Klingt ein bisschen schizophren?
Um uns Idioten auf der Bühne zum Lachen zu bringen, muss man wahrscheinlich immer ein bisschen verrückt sein. Aber Kaufman war bestimmt kein Psychopath. Das war alles genau kalkuliert. Meine Interpretation ist, dass er längst wusste, dass er krank ist und nicht mehr lange zu leben hat. Andy Kaufman war zerbrechlich, und deshalb hat er diesen Bullen von einem Mann erfunden. Kaufman hat kein Fleisch gegessen, nie getrunken, geraucht oder Drogen genommen. Clifton hat gesoffen wie ein Loch und geraucht wie ein Schlot. Mit der Erfindung von Toni Clifton wollte er gegen die Krankheit von Andy Kaufman ankämpfen. Jim Carrey hat diese beiden getrennten Charaktere übrigens auch in den Drehpausen durchgehalten. Einmal lief er als der freundliche, zivilisierte Andy durch das Set und am anderen Tag war er ein arroganter Alptraum-Clifton, den man vorne und hinten bedienen musste. Das war mitunter sehr anstrengend, aber wir haben uns daran gewöhnt.
War Jim Carrey die erste Wahl?
Ich habe mir von verschiedenen Schauspielern ein Probe-Video zuschicken lassen. Ich war sehr beeindruckt, wieviele gute Schauspieler an dieser Rolle interessiert waren: Kevin Spacey, Edward Norton, John Cusack, Craig Anton u.a.. Jim Carrey hatte zwei Vorzüge. Zum einen ist er mehr als die anderen in der Stand-Up-Comedy zu Hause, und zum anderen ist er ein größerer Kassenmagnet. Aber Ed Norton und Craig Anton waren ebenfalls in der engeren Wahl.
Sie haben während der Dreharbeiten sehr eng mit Familie, Freunden und Kollegen von Andy Kaufman zusammengearbeitet. Danny DeVito und fast die komplette Besetzung von Kaufmans Live-Sitcom "Taxi" standen wieder vor der Kamera. Ist das nicht auch ein Alptraum so viele Kaufman-Spezialisten im Rücken zu haben?
Vom ersten Tag an waren Andys Familie und seine Freundin am Set. Sie waren sehr bewegt, ihrem Andy dort wiederzubegegnen. Das hat uns eher eine größere Sicherheit gegeben als dass es uns gestört hätte. Auch die "Taxi"-Besetzung war gerne bereit mitzumachen. Heute lieben natürlich alle Andy. Aber als sie mit ihm zusammenarbeiten mussten, sah das bestimmt anders aus. Die anderen Stars in "Taxi" haben ja die ganze Woche lang täglich vor der Kamera geschwitzt. Andy beharrte auf seinem Vertrag und kam nur freitags, schloss sich eine Stunde in seine Garderobe ein, kam auf die Bühne, hat die Sendung geschmissen und ist danach wieder nach Hause gegangen. Und ausgerechnet er wurde der größte Star von "Taxi" ...
Haben Sie daran gedacht, diese Lebensgeschichte in einem eher surrealen Kaufman-Stil zu verfilmen?
Ich denke, seine Person wäre dann nicht richtig rübergekommen. Die Einmaligkeit und Absurdität dieses Kerls erkennt man erst, wenn man ihn mit absolut echtem und normalen Leben umgibt. Da kommt er viel besser zur Geltung.
Woher kommt Ihre Faszination für diese exzentrischen Außenseiterfiguren?
Weil sie interessanter sind als die Insider. Es macht mehr Spaß, mit ihnen zusammen zu sein. Wenn man solange wie ich in einem totalitären Staat gelebt hat, entwickelt man eine gewisse Vorliebe für Leute, die den Mut haben, sich gegen das System zu stellen. Aber diese Vorliebe darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss mit einer - ich hasse dieses Wort eigentlich - message verbunden sein. Larry Flint z.B. war ein Katalysator in der Debatte darüber, wie weit die Freiheit in unserer Gesellschaft wirklich reicht. Der pornografische Aspekt brachte diese Frage nur extremer zum Vorschein. Jede Gesellschaft neigt dazu, extreme Tendenzen zu beschneiden. Viele Leute sagen: gut und schön, aber das geht zu weit! Sie wollen nicht wahrhaben, dass, wenn man dieses eine Extrem beschneidet, etwas anderes das Extrem wird und man es wieder abschneidet. Und diese Entwicklung endet nie ...
Courtney Love gehört zu den umstrittenen Persönlichkeiten des Showbusiness. Nach "Larry Flint" arbeiten Sie nun schon das zweite Mal mit ihr zusammen. Hängt das auch mit Ihrer Schwäche für Außenseiter zusammen?
Ich bewundere diese Frau, ihr Talent und wie sie durch ihr keineswegs einfaches Leben geht. Als ich Courtney Love damals für "Larry Flint" engagieren wollte, weigerte sich die Studioleitung strikt. Aufgrund ihres schlechten Rufs war keine Versicherungsgesellschaft bereit, das Projekt abzudecken. Das ist im Filmgeschäft ein sehr ernstes Problem. Ich habe dann selbst eine Versicherung gefunden, die allerdings unheimlich teuer war. Woody Harrelson, Oliver Stone, Courtney Love und ich sind dann mit unserem privaten Geld eingesprungen.
Betrachten Sie sich auch als Außenseiter in den USA und in Hollywood?
Ich wäre gern ein Rebell, aber ich bin eben nur ein einfacher Regisseur. Deshalb mache ich Filme über Rebellen.