ARI FOLMAN Kriegsbilder Regisseur Ari Folman über »Waltz with Bashir« und was ein Film bewirken kann Ist das ein autobiografischer Film? Ja, der Film erzählt meine persönliche Geschichte. Alles, was Sie im Film sehen, ist wirklich geschehen. Die Reise, die der Film beschreibt, ist meine Reise. Der Film beschreibt die Suche nach Ihren verloren gegangenen Kriegserinnerungen. Wie kam es zu diesem Gedächtnisverlust? Von meiner Militärzeit hatte ich einen groben Erzählstrang im Kopf. Aber die Erinnerungen darüber hinaus hatte ich verdrängt. Der Film war für mich ein gute Gelegenheit, um in diese Zeit zurück zu gehen und herauszufinden, was damals passiert ist. Warum haben Sie sich für die Form des Animationsfilms entschieden? Ich wollte von Anfang an keinen klassischen Dokumentarfilm machen. Was würde man auf der Leinwand sehen außer alte Männer, die über ihre Vergangenheit reden? Es gibt nur sehr wenig Filmmaterial über die Ereignisse, mit denen man die Interviews hätte unterlegen können. Ich habe die Dinge immer als Comic-Zeichnungen vor mir gesehen, und das Animationsverfahren hat mir die Freiheit gegeben, zwischen den verschiedenen Dimensionen des Erzählens und Erinnerns zu wechseln. Am Schluss rücken Sie vom Animationsverfahren ab und zeigen Fotos von Sabra und Shatila... Dadurch wollte ich verhindern, dass die Leute aus dem Kino gehen und denken, das sei einfach nur irgendein cooler, animierter Antikriegsfilm. Aber die Massaker in Sabra und Shatila sind wirklich geschehen. Tausende von Menschen sind dort gestorben. Die meisten von ihnen waren Kinder, Frauen und alte Menschen. Diese fünfzig Sekunden setzen den Film ins Verhältnis zur historischen Wirklichkeit. Haben die Bilder in Israel Erinnerungen an den Holocaust wachgerufen? Die Bilder des Massakers haben damals in der israelischen Öffentlichkeit eine enorme Empörung ausgelöst. Danach fand in Tel Aviv die bisher größte Protestdemonstration in der Geschichte statt, obwohl die israelischen Truppen ja nicht direkt beteiligt waren. Ich glaube, der Grund, warum die Reaktion so stark war, liegt in der Erfahrung des Holocaust. Die Bilder aus Sabra und Shatila wurden im kollektiven Gedächtnis mit dieser Vergangenheit verbunden. Der damalige israelische Verteidigungsminister Sharon taucht im Film ebenfalls auf. Wie beurteilen Sie sein Rolle während der Massaker? Die israelische Regierung hat 1983 einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der Sharon für schuldig befunden hat, nicht gegen das Massaker eingeschritten zu sein, obwohl er davon gewusst hat. Ironischerweise wurde Sharon von dem Komitee lebenslang vom Posten des Verteidigungsministers ausgeschlossen, was ihn aber nicht davon abhielt, später Premierminister zu werden. So sehr ich Sharon verurteile - ich glaube unter seiner Regierung wäre es nicht zu einen zweiten Libanonkrieg gekommen. Der zweite Libanonkrieg begann, als Sie gerade mitten in den Dreharbeiten waren. Das war ein fürchterliches Déja-vu. Ich bin mit meiner Familie in ein abgelegenes griechisches Dorf geflüchtet und erst zurückgekehrt, als der Krieg nach drei Wochen vorüber war. Hat Sie diese Wiederholung der Geschichte als Filmemacher nicht entmutigt? Ich glaube leider nicht, dass Filme die Welt verändern. Waltz with Bashir hat es nicht geschafft, das junge Publikum in Israel mit dem Film in die Kinos zu locken, obwohl ich wirklich gehofft hatte, durch den Film etwas in ihrem Kopf verändern zu können. Wir haben zur Zeit in Israel nicht die beste politische Führung. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich mit der richtigen politischen Führung dieser Konflikt lösen lässt. Wird »Waltz with Bashir« auch in irgendeinem arabischen Land in die Kinos kommen? Der Film wurde in einigen großen arabischen Zeitungen und TV-Sendern besprochen. Wir würden ich sehr gerne in Beirut zeigen, aber da bekämen wir Probleme mit der Hisbollah. Ich denke, der Film wird trotzdem über DVDs und das Internet seinen Weg finden. Interview: Martin Schwickert
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