JULIE DELPY ÜBER »2 TAGE PARIS«

Paris nervt

Julie Delpy über ihre erste Regie »2 Tage Paris« und das Sexleben ihrer Eltern


Der Film zum Interview

Mit dem Klischee von Paris als Stadt der Liebe räumen Sie gründlich auf
Ich bin immer wieder geschockt, wenn ich nach Paris komme. Die Leute dort sind unhöflich, latschen einem ständig auf die Füße, die Atmosphäre ist sehr aggressiv. Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich daran und merkt, dass die Menschen eigentlich ganz nett sind, wenn man hinter die Fassade schaut. Im Grunde mag ich diese raue Art in Paris. Natürlich nicht immer, wie man im Film an der Figur des rassistischen Taxifahrers deutlich sehen kann.
Was war der Ausgangpunkt für die Geschichte?
Ich wollte immer schon einen Amerikaner nach Paris bringen und ihn einen ganzen Film lang quälen. Und dann habe ich Adam Goldberg kennen gelernt und bemerkt, dass er enorm komisch aussieht, wenn er Schmerzen empfindet. Ich liebe es, wenn Leute leiden und dabei lustig aussehen.
Ist dieser Film eine realistischere Version von "Before Sunset"?
Sagen wir besser eine weniger idealistische Version. Ich habe ein ähnliches Sujet gewählt, um die Finanziers zu überzeugen, aber tatsächlich ist daraus ein komplett anderer Film geworden. Die beiden Figuren in Before Sunset sind von einer Blase des Romantizismus umgeben. Zwei Menschen reden miteinander und der Rest der Welt verschwindet, weil sie so sehr ineinander verliebt sind. In diesem Film ist es genau das Gegenteil. Die Welt um sie herum stürmt unentwegt auf die beiden ein. Die Umgebung beeinflusst sie, mehr als ihnen lieb ist.
Warum hat es solange gedauert, bis Sie Ihren ersten eigenen Film realisieren konnten?
Es ist sehr hart, das Geld für seinen ersten Film zusammen zu bekommen und ich kann mich selbst sehr schlecht verkaufen. Manche Treffen mit Produzenten waren der reinste Horror. Einer wollte mich doch tatsächlich davon überzeugen, dass ich Jean-Claude Van Damme in einem Kostümfilm besetze, der im 16.Jahrhundert spielt. Was soll man da noch sagen?
Sie haben sogar ihre Eltern und die eigene Katze vor die Kamera geholt. Wie viel Autobiografie steckt in diesem Film?
Ich enthülle hier nichts von meinem privatem Leben. Zumindest nichts wirklich persönliches. Ich habe ein paar Erfahrungen aus der Vergangenheit eingebaut, aber auch sehr viel von Freunden und Bekannten. Meine Eltern sind ganz anders als im Film, aber ich wusste, dass sie die Figuren mit viel Komik spielen konnten, ohne sie zu einer Karikatur zu machen.
Sind die Alt-68er-Eltern heute freizügiger als ihre spießigen Kinder?
Die Generation meiner Eltern hatte einfach ein freieres Sexleben. Ich fand es immer toll, dass ich mit meinen Eltern über alles reden konnte. Vielleicht ist es für manche Kinder nicht gut, weil sie gegen ihre Eltern rebellieren müssen, um von ihnen los zu kommen. Ich habe nie gegen meine Eltern rebelliert. Wahrscheinlich musste ich deshalb in die USA ziehen.
Gibt es schon ein nächstes Filmprojekt?
Ja. Die Geschichte ist im 16.Jahrhundert angesiedelt und handelt von einer Frau, die viele Mädchen umgebracht und ihr Blut getrunken hat, um sich selbst für ihren Liebhaber jung zu halten. Und es ist definitiv keine Komödie...

Interview: Martin Schwickert