ETHAN UND JOEL COEN ÜBER »TRUE GRIT«

EIN FRAUENWESTERN

Ethan und Joel Coen über den überraschenden Erfolg von »True Grit« und welche Vorteile es hat, in New York zu leben

"True Grit" hat in den USA bereits über 150 Millionen Dollar eingespielt und ist damit der erfolgreichste aller Coen-Filme. Können Sie sich das erklären?

Joel Coen: Nein, wir sind selbst vollkommen überrascht vom kommerziellen Erfolg des Films in den USA. Das hätten wir nie erwartet. Das ist einfach verrückt.

Aber was zieht das Publikum im Jahr 2011 in einen Western?

JC: Ich denke, das wäre eine interessante Aufgabe für einen Sozialwissenschaftler. Ein Kolumnist der "New York Times" hat in einem Artikel genau erklärt, warum der Film gerade jetzt bei den Zuschauern so gut ankommt. Aber ich bin mir sicher, wenn der Film beim Publikum durchgefallen wäre, hätte er das genauso gut erklären können.

Was hat Sie an dem Roman von Charles Portis, der ja schon einmal mit John Wayne verfilmt worden ist, interessiert?

JC: Wir haben einfach ignoriert, dass es schon eine Verfilmung gibt. Der Roman ist in der ersten Person erzählt von einem 14jährigen Mädchen mit einer humorvollen und sehr eindringlichen Stimme. Diese Erzählperspektive ist äußerst interessant. Wir wollten die Story genauso erzählen, wie Charles Portis es getan hat. Aus filmischer Sicht ist das eine ganz einfache, geradeaus erzählte Geschichte einer Rache um diese drei interessanten Figuren herum.

Ist das ein Frauenwestern?

EC: Es stimmt natürlich, dass Western normalerweise in einer eher männlichen Welt erzählt werden.

JC: Und das genau macht ja die Anziehungskraft dieser Geschichte aus, die ja nicht nur mit einer weiblichen, sondern auch von einer sehr jungen Stimme erzählt wird. Von einem Kind, das im Inneren schon wie eine Erwachsene ist. Eigentlich ist sie von den Dreien die einzige Erwachsene.

Und damit ruht Ihr Film auch auf den Schultern einer 14jährigen Schauspielerin.

JC: Oh ja, wir wussten, dass wir mit einem Fehler bei der Besetzung dieser Rolle den ganze Film vermasseln würden. Aber als wir Hailee Steinfeld getroffen haben, wussten wir sehr schnell, dass sie die Sache in den Griff bekommt.

Sie machen seit dreißig Jahren zusammen Filme. Wie entwickeln Sie gemeinsam Ihre Ideen?

EC: Ja, wer von uns beiden hat eigentlich die Ideen?

JC: Er hat die Ideen und ich sage: Nein, das ist nicht gut.

EC: Nein, wir teilen uns alle kreativen und organisatorischen Verantwortlichkeiten.

JC: Wir versuchen schon seit dreißig Jahren vergeblich auf diese Frage eine zufriedenstellende Antwort zu geben. Film ist immer eine kollaborative Sache. Wir haben andere Leute, mit denen wir auch schon sehr lange arbeiten.

Viele sagen, dass gerade in der Filmindustrie, Erfolg korrumpiert. Ihren Filmen merkt man davon nichts an.

EC: Ich kann Ihnen versichern, dass Erfolg für den eigenen, privaten Lebensstil nicht immer ein Segen ist. Aber klar, zuviel Erfolg kann gefährlich sein, aber auch aus einem Misserfolg kann man verbittert die falschen Schlussfolgerungen ziehen.

JC: Man braucht eine Mischung aus beidem.

Wie gelingt es Ihnen Ihre eigene Richtung in Hollywood so erfolgreich zu verteidigen?

JC: Wir leben in New York. Dadurch sind wir ein wenig abseits des ganzen Trubels. Wir werden in Ruhe gelassen und haben das Privileg, dass unsere künstlerische Unabhängigkeit nie in Frage gestellt wird. Aber wir arbeiten auch ein wenig unter dem Radar. Das hängt vor allem mit dem Budget zusammen.

Wir arbeiten für Hollywood-Verhältnisse mit relativ niedrigen Budgets. Auch wenn einer unserer Filme an der Kinokasse mit Mast und Segel untergehen würde, wäre das keine ernsthafte Bedrohung für das ökonomische Wohlergehen des Filmstudios. Wenn wir Filme machen wollten, die 150 Millionen Dollar kosten, dann wären auch wir unsere künstlerische Autonomie schnell wieder los.

Interview: Martin Schwickert