»Nicht mal Nigger...«
Hauptdarsteller Don Cheadle über Rassismus und warum ein Tsunami sexier ist als ein Völkermord
Die Kritik zum Film
Die Nachrichtenbilder vom Genozid in Ruanda wurden damals kaum zur Kenntnis genommen. Glauben Sie, dass ein Spielfilm wie »Hotel Ruanda« die Mauer der Ignoranz durchbrechen kann?
Ich habe den Film vor allem deshalb gemacht, weil die Geschichte von Paul Rusesabagina zeigt, wie ein ganz normaler Mensch unter grausamen Umständen über sich selbst hinauswächst. Ob der Film die öffentliche Meinung über Ruanda verändern kann? Ich kann es nur hoffen. Die US-Öffentlichkeit hat eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Während in Ruanda 1994 fast eine Millionen Menschen ermordet wurden, waren alle Medien mit dem Prozess gegen O.J.Simpson beschäftigt. Erst nach Monaten ist die Geschichte auf die Titelblätter der Nachrichtenmagazine gekommen.
Die erste Frage, die sich bei diesem Filmprojekt stellt: Wie kann man die Gewalt eines solchen Ereignisses darstellen?
In Ruanda ging es nicht um irgendwelche Schießereien. Dort wurden die Menschen brutal mit Macheten und Knüppeln umgebracht. Wie soll man so etwas zeigen, ohne dass daraus ein Slasher-Film wird? Terry George hat die richtige Entscheidung getroffen. Ich denke, wir haben keinen einzigen Aspekt der Ereignisse in Ruanda vernachlässigt, dadurch, dass wir auf explizite Gewaltszenen verzichtet haben.
Wie hat sich Ihre Haltung durch die Arbeit an dem Film verändert?
Der Film hat mir einen besseren Zugang zu Afrika eröffnet. Ich komme gerade aus dem Sudan, wo Paul Rusesabagina und ich mit einer Delegation des US-Kongresses die Flüchtlingslager besucht haben. Durch den Film konnten wir die Aufmerksamkeit der Medien darauf lenken, dass sich im Sudan zur Zeit etwas ähnliches anbahnt, wie damals in Ruanda.
Warum bekommt ein Tsunami mehr öffentliche Aufmerksamkeit als ein Völkermord?
Der Tsunami ist eine Naturkatastrophe. Man kann dafür niemanden die Schuld geben und jeder kann sich in die Situation der Betroffenen hinein versetzen. Die Lage im Sudan hingegen ist ein schwelender Brand, der sich seit 23 Monaten langsam ausbreitet. So ein schwer zu durchschauender, ethnischer Konflikt ist einfach nicht so sexy wie ein Tsunami.
Ein UN-Oberst sagt im Film zu Paul: "Für die seid ihr nicht einmal Nigger, sondern nur Afrikaner...
Dagegen kann man schlecht argumentieren. Im Sudan sind gerade 300.000 Menschen ermordet worden und 2 Millionen sind auf der Flucht. Die UN streitet sich immer noch darum, ob man das als Genozid bezeichnen kann und vor welches Gericht man die Leute stellen soll. Ein Leben in Afrika ist einfach weniger Wert als im Rest der Welt.
Lässt sich der Rassismus in den USA mit den westlichen Vorurteilen gegenüber Afrika vergleichen?
Es gibt viele Ähnlichkeiten, aber auch viele Unterschiede. Wir haben in den USA sicherlich Rassismus. Auch in der Filmindustrie. Dort ist er nicht so offen und versteckt sich hinter einem politisch korrekten Sprachgebrauch. Aber all das ist nicht vergleichbar mit der harten Realität in Afrika. Schließlich ist es gerade erst einmal zehn Jahre her, dass in Südafrika die Apartheid abgeschafft wurde.
Wie äußert sich der Rassismus in Hollywood?
Wenn man in einem Drehbuch liest: Mann, Mitte 30, Börsenmakler, fährt einen Porsche - dann weiß man sofort, dass es ein Weißer ist. Wenn sie keinen Weißen haben wollen, steht da: Afroamerikaner, Mitte dreißig. Für Weiße braucht man kein Etikett. Sie sind in den Augen derjenigen, die die Filmindustrie betreiben, der Normalzustand. So war es immer und so wird es bleiben.
Sehen Sie sich nach der Oscarnominierung in einer Reihe mit Will Smith und Denzel Washington?
Nein, soweit bin ich nicht. Ich bin ja weder ein Komödiant noch ein Rapper. Will Smith hat sein ganzes Hip-Hop-Publikum ins Filmgeschäft mit eingebracht und Denzel Washington macht seinen Job schon sehr viel länger als ich. Außerdem gibt es in Hollywood selten mehr als zwei schwarze Schauspieler. Einen für die Komödien und einen fürs Dramatische - das reicht ihnen dann auch schon. Der nächste, an den die Krone weitergereicht wird, ist Jamie Foxx und nicht ich.
Gibt es gar keine neutralen Rollenangebote?
Manchmal passiert es, dass sie sagen: Diese Rolle ist zwar nicht für einen Schwarzen geschrieben, aber wir können uns dich gut darin vorstellen. Das ist manchmal gut und manchmal weniger gut. Denn ich bin schwarz und ich möchte nicht in einem Film mitmachen, der so tut, als hätten alle Menschen die gleichen Sorgen. Die Dinge, mit denen wir uns kulturell im Alltag auseinandersetzen, sind sehr unterschiedlich, und ein intelligenter Autor schreibt sein Skript genau darauf hin. Wir sollten unsere Unterschiede feiern, anstatt so zu tun, als würden sie nicht existieren.
Interview: Martin Schwickert