THAT GOOD OL' MAGIC
Daniel Brühl über Was nützt die Liebe in Gedanken und wie es ihm seit Good Bye Lenin! ergangen ist
Der Film erzählt von der Radikalität einer Jugendliebe in den 20er Jahren. Hat man damals anders geliebt als heute?
Das Thema Sexualität bedeutet heute etwas anderes als damals, was ich auch ein bisschen schade finde. Heute ist uns ein wenig die Magie verloren gegangen, die im Reiz der Nacktheit und in dem Entdecken einer Frau liegt. Das sehen wir ja schon alles als 12jährige im Fernsehen. Aber es gibt auch Dinge, die bei Jugendlichen immer gleich sind: Der Wunsch nach dem höchsten Punkt und die extreme Verletzlichkeit. Was damals die "Steglitzer Schülertragödie" war, sind heute vielleicht Erfurt oder Columbine, wo man auch sieht, zu welchen extremen Dingen Jugendliche fähig sind.
Was nützt denn nun die Liebe in Gedanken?
Nicht viel. Ich hatte als 16jähriger über ein Jahr in Gedanken eine Freundin, die es gar nicht gab. Die war ganz konkret für mich. Ich wusste sogar genau, wie sie aussieht. Das war zwar eine sehr schöne und innige Beziehung, aber das bringt einem natürlich nicht viel. Danach kam dann die erste große Liebe, und das war eine richtige Katastrophe. Das war sozusagen die Hilde in meinem Leben. Diese Erfahrung hat mir leider sehr geholfen bei diesem Film.
Dann war das auch eine Art Therapie für dich?
Es war eine Reise zurück ins 18. Lebensjahr. Dieses Haus am See - das war wie ein Landschulheim. Ich empfinde es als großes Privileg des Schauspielerberufes, dass man eine solche Lebensphase noch einmal leben darf. Dabei habe ich auch vieles über mich herausgefunden. Am Anfang habe ich Hilde gehasst, weil die Figur so nah an meinen eigenen Erfahrungen war. Aber dadurch, dass Anna Mühe sie gespielt hat, habe ich gelernt, die Figur zu verstehen. Rückblickend musste ich mein Urteil gegenüber der Person, die ich damals verehrt habe, revidieren.
Hast du dich mit der historischen Figur des Paul Kranz beschäftigt?
Mit dem Drehbuch habe ich ein 100 Seiten starkes Protokoll des Strafverteidigers Dr. Frey in die Hand bekommen, der Paul Kranz damals verteidigt hat. Sein nüchterner Blick von außen war für mich sehr aufschlussreich. Ich habe Sachen gelesen, die Paul Kranz geschrieben hat. Das war interessant, treibt einen aber auch in die Enge, weil man sich schnell zu sehr in den Kopf einer Figur hinein versetzt. Aus Neugier habe ich mir ein Foto von Paul Kranz angeschaut. Das war allerdings ein Fehler, weil er vollkommen anders aussah als ich. Das ist, wie wenn man in den Spiegel schaut und sich nicht ähnlich sieht.
Wie schwierig war es, sich in die Zeit hinein zu versetzten?
Wenn man als Schauspieler "20er Jahre" hört, denkt man erst einmal über Sprache und Körperhaltung nach. Aber dann habe ich festgestellt, dass man eigentlich nur die stilisierten Filme aus den 20ern kennt. Schließlich habe ich mir Menschen am Sonntag von Billy Wilder & Co. angesehen. Das hat mir sehr geholfen, weil man sehen konnte, wie modern diese Zeit war. Achim von Borries wollte auch ganz bewusst nicht mit der Historienkeule draufhauen, sondern den Zeitkolorit so unaufdringlich wie möglich gestalten.
Im Film heißt es: Es gibt Menschen, die lieben, und Menschen, die geliebt werden.
Ich finde es einfacher zu lieben als geliebt zu werden. Das macht mir seit dem Erfolg von Good Bye Lenin! oft ein bisschen Bammel. Wenn man mitkriegt, von wieviel Menschen man angesprochen und auch echt gemocht wird - das ist manchmal ein gruseliges Gefühl. Ich bin ja nicht immer so lieb wie in den Filmen.
Willst du nicht auch einmal einen richtigen Dreckskerl spielen?
Gerne, aber solche Rollenangebote bekomme ich ja leider nie.
Was hat sich durch den Erfolg von für dich verändert?
Ich versuche, den Druck, der von außen kommt, zu verdrängen. Man muss einfach sehen, dass Good Bye Lenin! eine Ausnahme ist. Das ist ein hochwertiger Film, der das Glück hatte, ein großes Publikum anzusprechen. Wenn man normalerweise ein Massenpublikum erreichen will, muss man entsprechende Filme machen - und solche Projekte interessieren mich meistens nicht. Ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass diese Zuschauerzahlen und Preise vielleicht nie wieder kommen.
Hast du internationale Angebote bekommen?
Ich habe gerade meinen ersten Film in England abgedreht, und das gleich mit Judi Dench und Maggie Smith. Das war auch wegen Good Bye Lenin!. Jetzt fahren wir mit Was nützt die Liebe in Gedanken? zum Sundance-Filmfestival. Trotzdem bleibe ich in Berlin und warte auf gute Geschichten. Je größer der Radius, desto höher ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass etwas interessantes dabei ist.
Interview: Martin Schwickert