»IRGENDWIE SEXY«
Heath Ledger und Jake Gyllenhaal über »Brokeback Mountain« und warum Ang Lee ein genialer, aber schwieriger Regisseur ist
Und hier der Film zum Interview:
Viele Schauspieler schrecken davor zurück, schwule Charaktere zu spielen, weil sie Angst haben, dass es ihrer Karriere schadet. Gab es da bei Ihnen ähnliche Bedenken?
Heath Ledger: Nein. Zuallererst war das eines der schönsten Drehbücher, die ich je gelesen habe. Es war eine Liebesgeschichte, die so noch nicht erzählt worden war. Man liest viele Bücher, sieht viele Filme, die sich um das Thema Liebe drehen. Aber die meisten wiederholen nur die immer gleichen Stereotypen. Diese Geschichte hingegen fühlte sich für mich ganz neu an. Natürlich war ich sehr nervös, aber die Herausforderung hat mich gereizt.
Jake Gyllenhaal: Ich hatte von dem Projekt schon ein Jahr, bevor Ang Lee die Regie übernahm, gehört. Die Bezeichnung "schwuler Cowboyfilm" hat mich zunächst abgeschreckt. Aber als ich wusste, dass Ang Lee den Film macht, war mir klar, dass es eine andere Art von Film ist, der nicht so eine beschränkte Vorstellung von Homosexualität hat, sondern das Thema differenzierter angeht. Und da habe ich keinen Moment gezögert.
War diese Sicht auf das Westerngenre nicht längst überfällig? Schließlich haben viele Cowboyfilme einen schwulen Subtext.
Gyllenhaal: Western sind wie Ikonen, und unser Film dekonstruiert diese Genre-Idee. Trotzdem würde ich Brokeback Mountain nicht als Western einordnen, sondern als eine Liebesgeschichte, die in einem Western-Ambiente stattfindet. Und außerdem: Heath und ich haben zwar eine sehr geradlinige Liebesgeschichte, aber die entwickelt sich eigentlich erst durch die Auseinandersetzung mit den Ehefrauen zu einer komplexen Story. Die weiblichen Charaktere eröffnen in diesem Film eine vierte Dimension.
Wie gut muss man sich miteinander verstehen, um ein schwules Liebespaar zu spielen?
Ledger: Jake und ich sind schon seit Jahren miteinander befreundet. Aber die Chemie zwischen den Figuren war schon im Drehbuch angelegt. Wir mussten nur an unsere Geschichte glauben.
Gyllenhaal: Brokeback Mountain ist die Geschichte einer sehr tiefen Freundschaft. Wenn man sieht, was die beiden miteinander teilen und den Spaß, den sie miteinander haben - das war für uns einfach. Gerade weil wir miteinander befreundet sind. Aber der Unterschied zwischen bestem Freund und Geliebten ist eben, ob man es tut oder nicht. Im Drehbuch standen bei diesen Szenen ganze Abschnitte von Regieanweisungen, die uns genau sagten, was unsere Figuren fühlten. Da stand z.B. dass tausend Flüsse durch mich hindurchfließen. Solche Beschreibungen sind eine große Hilfe. Wir sind dann in diese Liebesszenen eingetaucht - aber auch so schnell wie es ging wieder hinaus.
Was ist Ang Lee für ein Regisseur?
Gyllenhaal: Ang Lee hat nie viele Worte gemacht. Er sagte nur "Mach das besser" oder "Ok". Er hat ein sehr ausgefeiltes System der Manipulation. Er erkennt den Charakter eines Schauspielers und stellt ihn auf subtile Weise in den Dienst der Filmfigur. Dabei spielt er auch mit dem Verhältnis zwischen Regisseur und Darstellern, denn er weiß ja, dass wir ihm gefallen wollen. Es gab eine Szene, in der ich auf dem Pferd 500 Schafe im Sonnenuntergang den Berg hinunter getrieben habe. Ich war so stolz auf mich, dass ich das geschafft hatte und ich fragte voller Aufregung Ang Lee, wie die Szene war und er sagte nur: Irgendwie sexy. Das war alles.
Ledger: Ja, er wirft nicht gerade mit Komplimenten um sich. Aber die wenigen Worte, die sich aus seinem Mund den Weg nach draußen bahnen, sind immer sehr tiefgründig. Poetische Stellungnahmen, die alles mögliche bedeuten konnten und einem auf geheimnisvolle Weise alle Informationen geben, um die Szene spielen zu können. Seine Aufmerksamkeit gegenüber Details, seine Fähigkeit das Leben mit mikroskopischer Genauigkeit zu beobachten und in eine Story zu übersetzen, sind wirklich genial. Aber es gibt eben auch die manipulative Seite: In gewisser Weise war dies ein sehr einsamer Film für mich und ich bin mir nicht sicher, ob er am Set nicht diese Einsamkeit für mich produziert hat, damit ich der Einsamkeit meiner Figur möglichst nahe komme.
»Brokeback Mountain« startet in den USA in einer Zeit des langanhaltenden konservativen Rollbacks. Sehen Sie diese schwule Liebesgeschichte auch als Statement gegen diese gesellschaftliche Tendenz?
Ledger: Wir sind nie mit irgendwelchen politischen Intentionen an den Film herangegangen.
Gyllenhaal: Wenn man das politisiert, geht schnell die fundamentale Idee dahinter verloren, die ganz einfach heißt: Wenn sich zwei Menschen lieben, dann lieben sie sich und sie sollten daran festhalten, so fest sie nur können - egal ob die beiden Menschen hetero- oder homosexuell sind. Ich spreche hier als Mitglied einer jungen Generation, die mit stereotypen Liebesgeschichten bombardiert wurde. Ich habe selbst lange Zeit versucht, mein Liebesleben nach dem auszurichten, was ich als Jugendlicher aus den Filmen oder Büchern gelernt habe. Und die stereotypen Vorstellungen, die ich dabei entwickelt habe, haben sehr viel Unglück produziert. Wenn man versucht seine Beziehungen nur danach auszurichten, was man irgendwo anders gesehen hat, lebt man schnell an seinem Glück vorbei.
Interview: Martin Schwickert