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Harrys Träume
John Boorman über »Der Schneider von Panama«


Die Kritik zum Film


War es schwierig, Pierce Brosnan für die Rolle des zynischen Schurken zu gewinnen?

John Boorman: Mit dieser Rolle nimmt Pierce Brosnan wirklich ein Image-Risiko auf sich. Andererseits war er es auch leid, immer den geschmeidigen Helden zu spielen und freute sich auf etwas herzhafteres. Ursprünglich war er am Part des Schneiders Harry Pendel interessiert, aber das konnte ich mir nicht vorstellen. Als ich Brosnan die Rolle des Osnard anbot, war er zunächst schockiert. Er erzählte mir, dass ich schon einmal fast seine Karriere ruiniert hätte. Als junger Schauspieler hatte er für Excalibur vorgesprochen, und er war wirklich sehr schlecht. Das merkte er auch selbst und hätte damals den Schauspielberuf fast an den Nagel gehängt. Vielleicht habe ich nun Brosnans Karriere endgültig ruiniert, weil er nach diesem Film wahrscheinlich nie wieder James Bond spielen kann ...

Was war an der Rolle des Harry Pendel so schwierig?

John Boorman: Harry Pendel ist eigentlich selbst ein Schauspieler. Er verändert seinen Charakter, seine Sprechweise, seinen Akzent je nach dem, mit wem er gerade zusammen ist. Wenn ein Schauspieler eine solche Figur spielt, sieht so etwas schnell nach Schauspielerei aus. Man muss deshalb genau darauf achten, dass der wahre Harry Pendel hinter all den Maskeraden noch sichtbar wird. Denn eigentlich sucht Harry nach der Wahrheit, nach einem Weg seiner Frau die Verlogenheit der eigenen Existenz offenzulegen. Dafür muss er jedoch erst einmal die Welt um sich herum zum Zusammenbruch bringen.

Was faszinieren Harry Pendel und John Boorman am Schneiderhandwerk?

John Boorman: Harry hat den Traum, mehr zu sein, als er eigentlich ist. In seiner Schneiderei ist dieser Traum zur Berufung geworden. Er kann Anzüge nähen, die so schön sind, dass man seinen wahren Charakter dahinter verstecken kann. Das ist eine sehr britische Angelegenheit. Für einen Gentlemen ist ein guter Anzug der beste Schutz.

Woher kommt die britische Obsession für Spionagegeschichten?

John Boorman: Spionage gehörte immer schon zum Selbstverständnis des britischen Imperialismus. Diese Tradition ist nach dem Untergang des Empires und auch nach dem Ende des Kalte Krieges erhalten geblieben. Jetzt sucht Großbritanien nach einer neuen Rolle im großen Spiel und schielt dabei immer nach den USA. John Le Carré sagt, dass beim Agentenroulette alle nach einer Möglichkeit suchen, den Amerikanern zu imponieren. Wer die richtigen Informationen hat, kann mit an ihrem Tisch sitzen. Deshalb werden die Geschichten auch immer größer. Spione übertreiben gerne.

Und sind keine Helden mehr ...

John Boorman: Wir leben in einer Gesellschaft, der die Helden ausgegangen sind. In dieser kapitalistisch-materialistische Welt sind alle sehr selbstsüchtig. Ich denke ein Mann wie Osnard ist ein sehr moderner Charakter.

Roman und Film beschreiben Panama als durch und durch korrupten Staat. Sie haben in Panama vor Ort gedreht. Wieviel hatten Sie in ihrem Budget für Schmiergelder veranschlagt?

John Boorman: Aufgrund von Le Carrés Roman reagierte man sehr empfindlich auf diese Frage und versuchte dem schlechten Image entgegenzuwirken. Bei Verhandlungen mit Ministerien und Behörden wies man immer wieder darauf hin, dass man von uns keine Bestechungsgelder verlange. Aber das zeigt ja nur, dass dies der normale Weg ist und man für uns eine Ausnahme machte. Wir hatten allerdings immer eine größere Summe dabei, für den Fall, dass jemand aus der Crew entführt werden sollte. Kidnapping ist in Panama nämlich schon fast ein eigener Industriezweig.

Wie sind sie an die Drehgenehmigung für den Präsidentenpalast gekommen ?

John Boorman: Die Präsidentin von Panama ist eine sehr attraktive Dame und ein großer Fan von Pierce Brosnan. Sein Charme öffnete uns alle Türen ...

Zu Hollywood hatten Sie immer ein etwas gespaltenes Verhältnis.

John Boorman: Es ist für mich nach wie vor schwierig, mit amerikanischen Majors zusammenzuarbeiten. Ich war auch sehr erstaunt, dass Sony-Pictures diesen Film machen wollte und hatte das Gefühl, dass sie von dem Ergebnis ein wenig schockiert waren. Angesichts des aktuellen politischen Klimas ist Hollywood zur Zeit sehr nervös. Bei der Regierung Bush hat man es schließlich mit der fundamentalistischen christlichen Rechten zu tun. Die Tatsache, dass wir in dem Film offen sagen, dass George Bushs Vater verantwortlich dafür ist, dass 1989 halb Panama-City in Schutt und Asche gelegt wurde, ist da im Moment wohl nicht sehr willkommen.

Interview: Martin Schwickert