WES ANDERSON

»Ich lebe in Gelb«

Wes Anderson über »Moonrise Kingdom«, coole Pfadfinder und Bill Murray

Moonrise Kingdom erzählt eine Liebesgeschichte im Pfadfinder-Milieu. Waren Sie als Kind selbst bei den Pfadfindern?

Ich war etwa vier Monate dabei, habe es jedoch nicht geschafft, mir irgendein Abzeichen zu verdienen.

Ist das der Grund, warum Sie die Pfadfinder in Ihrem Film mit dieser ungewöhnlichen Mischung aus Ironie und Respekt betrachten?

Wenn man sich bei den Pfadfindern auf der Leiter ganz nach oben zum "Eagle Scout" hochgearbeitet hat, muss man schon einiges leisten. Bill Clinton und eine Menge anderer beeindruckender Persönlichkeiten waren "Eagle Scouts". Selbst dem coolsten Lead-Sänger in einer Punk-Band flößt ein echter "Eagle Scout" Respekt ein. Das sind Leute, die als Teenager Dinge gelernt haben, die wir heute einfach nicht mehr drauf haben.

In Ihrem Film spielt Harvey Keitel den "Eagle Scout" ...

Harvey Keitel war als Kind selbst bei den Pfadfindern. Ich kenne Harvey Keitel schon seit fünfzehn Jahren und wollte schon immer mal mit ihm einen Film machen, aber irgendwie hat es nie geklappt.

Warum spielt die Geschichte in den sechziger Jahren ?

Am Anfang des Films stand das Musikstück "The Young Person's Guide to the Orchestraö von Benjamin Britten und die Stimme des Jungen, der auf dieser Schallplatte die Musik und das Orchester erklärt. Daraus hat sich die Geschichte langsam entwickelt, und weil diese Musik und der Klang dieser Stimme aus den Sechzigern stammen, bin ich auch mit meiner Erzählung in dieser Ära gelandet. Erst später, als ich die Geschichte drum herum gebaut hatte, habe ich festgestellt, wie gut dieses Setting dazu passte. Die Insel etwa, auf der die Geschichte spielt, war bis Mitte der Sechziger eine Sommerkolonie. Dann haben sie eine Brücke zum Festland gebaut und heute ist es eigentlich gar keine Insel mehr, sondern eine Vorstadt von Newport..

Die Echos der Kindheit sind in vielen Ihrer Filme sehr präsent. Was hat Sie dazu verleitet, sich nun mit Moonrise Kingdom direkt auf eine Geschichte mit zwei Kindern als Hauptfiguren einzulassen?

Ich wollte schon seit langem einen Film über eine Romanze zwischen zwei Kindern drehen, in der die beiden ihre Liebe zueinander so ernst nehmen, dass die Erwachsenen nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Die Eltern sind geschockt, weil sich die Kinder mit ihren radikalen Emotionen der ihrer Kontrolle entziehen. Ich hatte mich einfach in die Idee verliebt, dass die beiden zusammen ausreißen und ihr Glück selbst in die Hand nehmen.

Ihre Filme zeichnen sich in der Ausstattung immer durch eine Unmenge an sorgfältig ausgewählten Details aus. Wie entwickeln Sie diese Setkompositionen?

Sobald ich eine Grundidee für einen Film habe, beginne ich mit dem Sammeln von Details, von denen ich denke, dass sie zum Film passen. Diese Kollektion von Details habe ich während der Entwicklung des Filmes sozusagen ständig griffbereit neben mir stehen, um einzelne Dinge einarbeiten zu können.

Die Farbauswahl spielt in Ihren Filmen auch immer eine große Rolle. In Moonrise Kingdom ist Gelb die dominante Farbe...

Ich lebe in Gelb. Meine ganze Wohnung ist gelb gestrichen. Aber ich habe immer das Gefühl, dass Worte und Farben einfach nicht zusammen passen. Ich kann beim besten Willen nicht erklären, warum ich diese oder jene Farbe benutze.

Seit Rushmore ist Bill Murray in großen oder kleinen Rollen in jedem Ihrer Filme zu sehen. Ist Murray Ihre Muse?

Ich bin ein großer Fan von Bill Murray. Es ist immer ein großes Glück, wenn man einen Mann wie ihn für eine Rolle gewinnen kann. Egal was er spielt, es kommt immer etwas irgendwie Großartiges dabei heraus. Er ist ein ungemein lustiger, aber auch sehr charismatischer Typ. Wenn man sich vorstellt, dass auf der Straße irgendein Mob alles kurz und klein schlägt, dann wäre Murray einer der wenigen Menschen, zu dem man sagen könnte "Kannst du bitte diesen Mob aufhalten?" - und ich denke, dass er das schaffen würde.

Interview: Martin Schwickert