ALEJANDRO AMENABAR

DER WAHRE GOTT

Alejandro Amenábar über Fundamentalisten und seinen Film »Agora«


Der Film zum Interview

Was hat Sie in das antike Alexandria verschlagen?

Vor einigen Jahren habe ich Urlaub am Meer gemacht, und über uns erstreckte sich Nacht für Nacht ein unglaublicher Sternenhimmel. Der Anblick hat mich dazu gebracht, mich näher mit Astronomie zu beschäftigen. Dabei bin ich auf Hypatia gestoßen, die im 4. Jahrhundert in Alexandria Mathematik und Astronomie unterrichtet hat.

Welche Auswirkungen hatte die Zerstörung der Bibliothek auf die Nachwelt?

Die Zerstörung der Bibliothek von Alexandria hat die Entwicklung der Menschheit um Jahrhunderte zurück geworfen. Manche Leute behaupten, wenn die Bibliothek nicht in Flammen aufgegangen wäre, hätte die Menschheit heute wohlmöglich schon eine Kolonie auf dem Mars gegründet.

Wodurch zeichnete sich Hypatia aus?

Sie war eine außergewöhnlich gebildete Frau. Durch ihren Vater hatte sie Zugang zu all dem Wissen, das sich in der Bibliothek von Alexandria bündelte. Deshalb wollte sie unter den Philosophen auch gleichberechtigt behandelt werden und zu allen frei zu sprechen. Sie hatte Schüler aus verschiedenen Ländern und Religionen und besass einen sehr offenen Geist, den sie als Frau entschieden verteidigt hat.

Das Christentum spielt als polarisierende Kraft eine fatale Rolle.

Als christlichen Gruppen nicht mehr verfolgt wurden, fingen sie an, ihren Glauben durchzusetzen und Andersgläubige zu verfolgen. Bis dahin war es in Alexandria vollkommen normal gewesen, dass die Menschen verschiedene Götter anbeteten. Dann kamen die Christen und sagten: Es gibt nur einen wahren Gott und dem sollt ihr alle dienen!

Heute fürchtet sich die westliche Zivilisation vor dem islamischen Fundamentalismus.

Der Film reflektiert natürlich auch die heutige Situation. Wenn wir jetzt die muslimischen Fundamentalisten verdammen, sollten wir uns daran erinnern, dass sich die Christen früher nicht sehr viel besser verhalten haben. Aber die historischen Parallelen beziehen sich nicht nur auf den religiösen Fanatismus, sondern auch auf den politischen Fanatismus.

Auch auf den spanischen Faschismus der dreißiger Jahre?

Das war eine ähnlich polarisierte Situation. Wir haben uns beim Schreiben oft gefragt, welche Seite wir im Bürgerkrieg eingenommen hätten. Manchmal werden die Menschen von der historischen Situation in die Gewalt hinein gezwungen.

Bekommen Sie keine Angebote aus Hollywood?

Ich bin nicht auf der Suche nach Hollywood-Angeboten. Ich habe ehrlich gesagt nicht einmal einen Agenten. Zurzeit bin ich froh, meine Geschichten von Europa aus erzählen zu können.

Interview: Martin Schwicket