FATIH AKIN

HEIMATSCHÜTZER


Der Film zum Interview

Fatih Akin über Nostalgie und Abrisspolitik

Was hat Sie nach den dramatischen Stoffen ins Terrain der Komödie verschlagen?

Meine Filme entstehen immer aus einem Gemütszustand heraus. Ich war sehr wütend, als ich Gegen die Wand gemacht habe. Ich war in einer sehr nachdenklichen Phase, als ich Auf der anderen Seite entwickelt habe. Und nach diesen beiden Filmen habe ich mich danach gesehnt, mal ein wenig Quatsch zu machen, bevor ich mich wieder den ernsten Dingen des Leben widme.

Hat "Soul Kitchen" ein Vorbild?

Mein Co-Autor und Hauptdarsteller Adam Bousdoukos hatte zehn Jahre lang ein Restaurant, in dem ich fast täglich gegessen, getrunken, getanzt und Platten aufgelegt habe. Das war ein eigener Kosmos, wo sich die Künstler, Schriftsteller, Musiker und Schauspieler des Stadtteils trafen. So ein Ort erzählt seine Geschichten.

»Soul Kitchen« zeigt Hamburg als eine Stadt im Umbruch - schwingt da auch ein wenig Nostalgie mit?

Viele Orte, an denen wir gedreht haben, gibt es nicht mehr. Ich habe die Locations auch bewusst danach ausgesucht. Der Mojo-Club ist abgerissen worden. Die Astra-Stuben sollten dicht gemacht werden, aber der Vertrag wurde nach vielen Protesten noch einmal um vier Jahre verlängert. Ganze Viertel werden abgerissen für irgendwelche Bürotürme. Insofern verstehe ich meine Nostalgie auch als Protest.

»Gegen die Wand« und »Auf der anderen Seite« waren international erfolgreich. Hatten Sie Angst, dass diese Hamburger Heimatkomödie im Lokalpatriotismus stecken bleibt?

Ich hatte große Angst, dass hinter Stade schon niemand mehr über den Film lacht. Bei meinem Verleih hatten alle die Hosen voll, und diese Sorgen haben natürlich auf mich abgefärbt. Es verging kein Tag beim Drehen, wo ich nicht hysterisch war. Aber dann kam die Einladung nach Venedig. Das hat mich erleichtert und überrascht. Der Preis, den wir dort bekommen haben, war für mich von der Symbolik ähnlich wichtig wie der Goldene Bär für Gegen die Wand .

Ist »Soul Kitchen« ein Heimatfilm?

Für mich ist Heimat eine eher lokale Angelegenheit. Ich habe lange überlegt, nach Istanbul zu ziehen. Durch Gegen die Wand bin ich in der Türkei sehr populär geworden und Crossing the Bridge hat mir viele Fenster in dieser Stadt geöffnet. Dann habe ich mit dem Gedanken gespielt, nach New York zu gehen, als wir dort New York I Love You gedreht haben. Aber dann wurde mir klar, dass mein soziales Netzwerk in Hamburg ist und ich weder in New York noch in Istanbul glücklich werde. Ich habe ein Kind, das in zwei Jahren in die Schule kommt. Meine Frau, meine Familie, meine Firma sind in Hamburg. Das spiegelt sich auch in meinen Filmen. Von Kurz und schmerzlos bis Auf der anderen Seite waren meine Figuren auf der Suche nach der Heimat. In Soul Kitchen ist der Held angekommen und versucht seine Heimat vor inneren Feinden zu schützen.

Interview: Martin Schwickert