»SCHNEE, DER AUF ZEDERN FÄLLT« Schuldig bei Verdacht
Ein ungewöhnlicher Mordprozess in den 50er Jahren Der Angriff auf Pearl Habour im Jahre 1941 setzte in den USA eine anti-japanischer Hysterie in Gang, in deren Folge über 120.000 japanische US-Bürger und Einwanderer in Internierungslager deportiert wurden. David Guterson rückte 1994 mit seinem Bestseller "Schnee, der auf Zedern fällt" diese dunkle Fußnote der amerkanischen Geschichte ins öffentliche Bewusstsein, und Scott Hicks ( Shine ) hat das verschachtelte Romanwerk adaptiert. Im Mittelpunkt steht ein Gerichtsprozess auf einer Pazifikinsel Anfang der 50er Jahre. Kazuo Miyamoto, ein Fischer japanischer Herkunft, ist des Mordes angeklagt, alle Indizien sprechen gegen ihn. Vor dem Krieg hatte Kazuos Vater von der Familie des Ermordeten ein Stück Farmland gekauft. Dann kamen Deportation und Internierung, die letzte Rate konnten nicht bezahlt werden, der Verkauf wurde rückgängig gemacht. Kazuo und der ermordete Karl waren Jugendfreunde. Der Krieg und der Streit ihrer Familien hat sie zu mißtrauischen Feinden gemacht. Von Kind auf befreundet waren auch Hatsue, die Tochter eines japanischen Erdbeerfarmers, und Ishmael, der Sohn des örtlichen Zeitungsredakteurs. Am Strand und in den dicht bewachsenen Regenwäldern der Insel entwickelte sich zwischen den beiden Jugendlichen eine erste, heimliche Liebe. Auch sie wurden durch den Krieg getrennt, Hatsue heiratete noch im Lager Kazuo. Als Lokalreporter verfolgt Ishmael jetzt den Prozess und stößt bei seinen Recherchen auf Beweise, die Hatsues Mann entlasten könnten. Regisseur Scott Hicks folgt der assoziativen Erzähltechnik der Buchvorlage. Ausgehend von dem Gerichtsprozess begibt sich die Kamera auf eine Reise durch die Erinnerungen von Zeugen, Beobachtern und Angeklagten. Die Zeitebenen überlagern sich und der Geschichte werden immer neue Perspektiven hinzugefügt. Was als Court-Room-Drama beginnt, verzweigt sich zu einen Liebes-, Kriegs- und politischen Historienfilm. Es ist keineswegs einfach, all den kunstvollen Überblendungen zu folgen. Dialoge werden oft nur angerissen, die einzelnen Figuren haben nur wenig Raum sich in der Rückblenden-Dramaturgie zu entfalten. Ein Film, der Stimmungen mehr traut als Dialogen. Kameramann Robert Richardson entwickelt für jede Erzählebene eine eigene visuelle Atmosphäre: der endlos tosende Schneesturm während des Prozesses, der blaue Nebel in der Tatnacht, die sommerlichen Erdbeerfelder in Ishmaels Erinnerung und die schemenhaften Albträume des Krieges. Die Figuren sind in ihren subjektiven Sichtweisen gefangen, die Facetten der Geschichte setzen sich erst im Kopf des Betrachters zu einem Gesamtbild zusammen. Kein leicht konsumierbares Kino also, sondern ein interessantes Experiment, das allerdings unter der pompösen Musikbegleitung leidet.
Martin Schwickert
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