ZATOICHI - DER BLINDE SAMURAI
Manitus Masseur
Takeshi Kitano macht einen Helden zum ClownMan muss sich nur mal vorstellen, bei uns würde irgend so ein Fernsehkomiker einen populären Serienhelden im Kino durch den Kakao ziehen. Und dafür in Venedig einen Regiepreis kriegen. Obwohl sich Zatochi auch als Fehlersuch-Film für Seminararbeiten sehr eignet. Derlei Durcheinander geht wohl nur in Japan gut aus.
Da gucken die Leute offensichtlich anders, da dreht Takeshi Kitano schon seit langem Avantgarde für große Massen, stepptanzt, tv-klamaukt ("Takeshis Castle") und ist als Allround-Entertainer wohl am ehesten mit Gene Kelley zu vergleichen. Wenn Sergio Leone seine Mutter wäre.
In Zatoichi jedenfalls gibt es ergreifende Momente der Geschlechtsunsicherheit (muss ein Transvestit sich an den Männerbadetag halten?), es gibt ganz grosse Choreografie mit Tap und Step an den Beinen und Schwertschlag und Armab weiter oben, und es gibt den seltsamen, Tölpel-Komik und Pathos zusammenhaltenden Watschelgang von Takeshi Kitano.
Der schlurft als blinder Masseur ins Dorf, in dem Schicksale sich kreuzen. Einige Yakuza-Banden bekriegen sich da, ein Miet-Killer sucht Arbeit, um seine kranke Frau zu pflegen, zwei ambulante Huren suchen die Mörder ihrer Eltern, ein Trottel versucht, beim Schnick-Schnack-Schnuck die Bank zu sprengen, und auf dem Feld hacken die Bauern im Soundtrack-Takt.
Oder leicht daneben. Vielleicht verrutsche beim ruppigen Synchronisierun die Tonspur etwas, aber es passt zu Kitanos Unbekümmertheit, mal mit dem Holzhammer, mal mit einem Augenzwinkern, immer aber überraschend Regie zu führen. Mal erklären ganz unelegante Rückblenden nur scheinbar Vorgeschichten, mal guckt die Kamera im schönsten Kampfgetöse einfach beiseite, mal vergisst der Regisseur sich selbst als Helden schier unter lauter Nebenhandlungen und -figuren.
Dann schlurft "Zatoichi" Kitano wieder herein, stets heftig zwinkernd mit geschlossenen Augen, damit man die Blindheit sieht. Dann zieht er sein Schwert schneller als sein Schatten und filetiert ganze Horden von Rüpeln im Regen. Dann treten wieder die rhythmischen Landarbeiter auf, diesmal im Schlamm patschend.
So puzzelt sich ohne richtige Spannungs-Entwicklung oder gar Personen-Psychologie ein echtes, etwas überlanges Remake des originalen Zatoichi aus den 60ern zusammen, der in Japan 25 Nachfolgefilme und eine Fernsehserie anstieß. Und in Amerika von Columbos Zwinkern bis Skywalkers Lichtschwert eine Menge Folgen hatte.
Jetzt ist das Original als naiv frische Pop-Modernisierung wieder da. Befreit aus den Zwängen eindeutiger Genres, Gemütslagen oder Stil-Bewußtseins-Diskurse. Wenn Kitano ein Z in einen Schurken ficht, dann ist das ernste Helden-Action, wenn ein Dutzend Schurken sich zum gejagt werden tragen lassen, ist das ironisches Vaudeville, wenn der kleine Strassen-Junge seiner Schwester das erste auf dem Strich verdiente Geld bringt, ist das Kitsch unter Tränen. Und wenn am Ende das ganze Ensemble 10 Minuten lang eine Revue-Nummer in traditionellen Holzpantoffeln dahinstompt, gehen stilistische Einwände eh in der guten Laune unter.
WING
Japan 2003. R & B: Takeshi Kitano, K: Katsumi Yanagijima, D: Takeshi Kitano, Tadanobu Asano, Michiyo Ogusu, Guadalcanal Taka
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