YOUNG ADAM
Drifter Down and out in SchottlandKaum schneller als Schrittgeschwindigkeit treibt der Lastkahn durch die Kanäle zwischen Edinburgh und Glasgow. Die Landschaft ist graubraun und vernebelt. Auf Deck schrubben sich zwei Männer gegenseitig mit Kernseife und heißem Wasser den Dreck aus dem behaarten Rücken - Schottland Anfang der 50er Jahre. Der Krieg steckt Land und Menschen noch tief in den Knochen. Das Leben und die Arbeit auf dem Kahn ist mühsam. Der junge Schriftsteller Joe (Ewan McGregor) hat hier angeheuert, nachdem er seine Schreibmaschine im River Clyde versenkt hat. Gerade hat er mit Les (Peter Mullan), seinem Chef, eine Frauenleiche aus dem Wasser gezogen und beobachtet den leblosen Körper mit unerschrockener Vertrautheit. Der eindringliche, durchforschende Blick ist Joes Waffe, mit der er fast wortlos zu verführen versteht. Schon bald beginnt er ein Affäre mit Ella (Tilda Swinton), der Frau seines Chefs.
Mit roher Kraft inszeniert Regisseur David Mackenize die Sexszenen in der Enge des knarrenden, düsteren Schiffsbauches. Ein Gewaltakt, mit dem sich die beiden auch vom Moralkorsett ihrer Zeit befreien. Aber als Ella, der das Schiff gehört, mit Joe von einem Haus mit Garten zu träumen beginnt, streicht der Binnenmatrose die Segel. So wie er es immer tut, wenn die Frauen sein Begehren mit Leidenschaft und Liebe verwechseln. Nur die Erinnerungen an seine frühere Geliebte Cathie (Emily Mortimer) plagt ihn, die - wie man aus den Rückblenden erfährt - mit der Wasserleiche identisch ist. Aber als ein Unschuldiger des Mordes an Cathie angeklagt wird, kann er das Todesurteil nicht verhindern.
Mit Young Adam verfilmt Mackenize einen Roman von Alexander Trocchi, der seinerzeit als schottischer Wiedergänger von Albert Camus gehandelt wurde. Und tatsächlich ist dieser Joe ein Drifter im guten alten, existenzialistischen Sinne. Ein Mann ohne Moral und Gewissen. Ewan McGregor spielt ihn mit angemessenem Understatement und Mackenize entwirft ein Film-Noir-Setting, das die Figuren fest mit den rauen, schottischen Industrielandschaften verbindet.
Über weite Strecken ist Young Adam aber ein Kammerspiel. In der klaustrophobischen Enge der Schiffskajüte glaubt man jeden Atemzug zu spüren. Unausweichlich sind die Konflikte, die in wortkargen Dialogen ausgetragen werden. Young Adam lebt von seiner atmosphärischen Dichte und einem erstklassigem Ensemble, das dem ruhigen, unnachgiebigen Blick der Kamera standhält.
Martin Schwickert
GB 2003 R&B: David Mackenize nach einem Roman von Alexander Trocchi K: Giles Nuttgens D: Ewan McGregor, Tilda Swinton, Peter Mullan, Emily Mortimer
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