XXX

Muskeln statt Köpfchen

Vin Diesel rettet die Welt

Wahrscheinlich hat es die Hollywood-Maschinerie schon lange gekratzt: Der erfolgreichste Geheimagent der Filmgeschichte kommt nicht aus der Neuen Welt, sondern aus dem traditionsbewussten England. James Bond muss nun zwar nicht weg, aber ein neuer Typ von Geheimagent soll her - so schreibt es der Verleih groß über die drei Buchstaben, die allen Hoffnungen der Branche nach ein Wahr- und Markenzeichen werden sollen: XXX .
Das dreifache X - oder wie es im Englischen heißt: Triple X - ist der Spitzname des Helden, Xander Cage (Vin Diesel). Von der intelligenten Ironie und den ausgeklügelten Coups eines Bond ist dieser Museklprotz von einem Kerl meilenweit entfernt. Cage pflegt eine rabiate, allerdings auch sympathische Form der Anarchie. Er stiehlt Luxus-Karossen von reaktionären Senatoren und versenkt sie mittels aufregender Stunts unter den Augen einer Web-Cam in malerischen Schluchten.
Der zynische Underground-Hero mit dem schlechten Benehmen fällt aufgrund seiner gewalttätigen Zielstrebigkeit einem Agenten des CIA auf - der ausgerechnet den Namen eines römischen Kaisers trägt: Augustus Gibbons (Samuel L. Jackson). Gibbons sucht seit langem neue und unverbrauchte Haudrauf-Talente. Um Cages Fähigkeiten im Einsatz zu testen, entführt ihn Gibbons kurzerhand und stellt ihn auf eine Probe im kolumbianischen Dschungel. Allein gegen die Drogen-Mafia besteht Cage die Feuertaufe. Die Welt hat einen neuen Super-Agenten.
Der Umworbene hat mit globaler Rettung aber nichts im Sinn. Erst die Androhung einer Haftstrafe bewegt den Agenten-Neuling dazu, sich in die Höhle des Löwen zu wagen: nach Europa. In Prag sitzen ganz dissidente Elemente, die unter dem Namen "Anarchy 99" eine ganz wahnsinnige Weltverschwörung samt teilweiser Zerstörung planen. Anführer ist der charismatische Yorgi (Marton Csokas), der bereits zu Beginn des Filmes einen Geheimagenten alten Stils während eines lächerlich bösen Rammstein-Konzertes töten ließ.
Regisseur Rob Cohen verliebt sich schon wie beim letztjährigen The Fast And The Furious in die Maskulinität Diesels. In fast zärtlichen Führungen streicht die Kamera über die Muskelstränge des Protagonisten. Es wird keine Gelegenheit ausgelassen, die krachige Kumpelhaftigkeit des Helden zu unterstreichen: sei es in unglaublich überhöhten Action-Sequenzen zu Lande, zu Wasser oder zu Luft, sei es im siegessicheren Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, hier: der spröden Yelena (Asia Argento).
Das wirklich Tragische an diesem Playstation-Kino ist die Verfeuerung von europäischen Talenten, die bei Hollywood-Produktionen auf dem Alten Kontinent gang und gäbe ist. Neben der italienischen Indie-Ikone Asia Argento spielt Richy Müller einen ziemlich debilen tschechichen Geheimdienstler. Das wird wohl der unausweichliche Weg der cineastischen Agentenabenteuer sein: ab in die knallige Idiotie.

Ulf Lippitz

USA 2002. R: Rob Cohen, B: Rich Wilkes, K: Dean Semler, D: Vin Diesel, Marton Csokas, Samuel L. Jackson, Asia Argento, Richy Müller