DIE WUNDERSAME WELT DER WASCHKRAFT

Viel Dampf, wenig Geld

Globalisierung und Lohndumping

So wie wir hier arbeiten, arbeiten die Deutschen nicht" sagt Beata. In ihrer Stimme schwingt Stolz, aber auch das genaue Wissen um die Ungleichheit zwischen Ost und West. Beata ist eine von vierhundert Arbeiterinnen in der Wäscherei "Fliegel" - eine deutsche Firma, die im polnischen Städtchen Gryfino kurz hinter der Grenze, die Wäsche aus den Berliner Vier- und Fünf-Sterne-Hotels reinigt. "Adlon", "Bristol", "Grand Hyatt" steht auf den Containern, die aus den Lastwagen ausgeladen werden. Gearbeitet wird hier im Drei-Schicht-Betrieb, vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche.

In Gryfino habe man die optimalen Ressourcen vorgefunden, erklärt der deutsche Unternehmer. Das ist zum einen Wasserdampf, der aus dem benachbarten Kraftwerk geliefert wird. Zum anderen die Arbeitskräfte, die jenseits der Grenze im strukturschwachen Gebiet sehr viel billiger sind als in Berlin.

In seinem Dokumentarfilm Die wundersame Welt der Waschkraft beschäftigt sich Hans-Christian Schmid mit diesen Ressourcen. Nicht mit dem Dampf natürlich, sondern mit den Menschen, die hier an den Waschmaschinen, der Mangel und am Bügelbrett stehen. Zwei von ihnen lassen die Kamera hinein in ihr Leben, das von der harten Arbeit, dem Schichtbetrieb und dem schmalen Auskommen bestimmt ist. Gerade so kommt Beata mit ihren drei Kindern finanziell über die Runden. Sie lebt mit ihrem Freund und dessen Ex-Frau unter einem Dach.

Wenn die beiden über ihre bevorstehende Ehe reden, stehen die pragmatischen Fragen im Vordergrund. Liebe - das ist hier vor allem ein Zusammenhalten in schweren Zeiten. Beatas Mutter will für ein halbes Jahr nach England gehen und dort Tulpen einpflanzen. Ihr Sohn gründet gerade eine Familie, da möchte sie dem Jungen finanziell unter die Arme greifen. Und da ist Monika, die ihren Mann nur selten sieht, weil beide Schicht arbeiten, und die sich um ihre Tochter sorgt, die gerade ihren Job in der Wäscherei verloren hat.

Schmid beobachtet die Frauen bei der Arbeit. Die Effizienz und Genauigkeit, mit der sie die Bademäntel für das "Adlon" nach exakten Vorgaben zusammenlegen. Und die riesigen Berge von Wäsche, gegen die sie tagtäglich ankämpfen. Fünfunddreißig Tonnen holen die LKWs jeden Tag in den Berliner Nobel-Hotels ab und bringen sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden wieder zurück. Die wundersame Welt der Waschkraft wirft einen genauen Blick auf die Auswirkungen des globalisierten Arbeitsmarktes. Dabei geht es Schmid nicht um eine politische Anklageschrift, sondern um ein tiefes Interesse an den Menschen, die diese Arbeit verrichten. Das Leben der polnischen Wäscherinnen, die sich in der Tretmühle der Dienstleistungsgesellschaft abrackern und kaum noch Zeit und Raum für private Wünsche und Träume haben, wird auch in Deutschland für immer mehr Menschen zur Norm. Mittlerweile hat die Wäscherei "Fliegel" in Leipzig eine Dependance aufgemacht. Die LKW-Fahrer dort verdienen noch weniger als ihre polnischen Kollegen.

Martin Schwickert