WÜSTENBLUME Aschenputtel Sherry Hormann verfilmt die wahre Lebensgeschichte der Äthioperin Waris Dirie Erzählen Sie mir von dem wichtigsten Tag in Ihrem Leben" fordert die amerikanische Journalistin Waris Dirie (Liya Kebede) auf. Sie will die Geschichte, die alle kennen, unbedingt noch einmal hören. Wie Waris, die als Nomadenkind in der somalischen Wüste aufgewachsen ist, als Putzfrau in einem Londoner Fast-Food-Lokal von dem berühmten Mode-Fotografen Terry Donaldson entdeckt wurde und zum internationalen Topmodel aufstieg. Waris will diese Aschenputtel-Story nicht noch einmal erzählen. "Das war nicht der wichtigste Tag in meinem Leben" antwortet sie und erzählt eine schmerzhafte Geschichte, die ganz und gar nicht hineinpasst in die durchgestylte Modewelt. Gerade einmal fünf Jahre alt war Waris, als sie von ihrer Mutter zu einem Mann geschleppt wurde, der ihr mit der Rasierklinge die Klitoris entfernte, die Schamlippen zusammennähte und nur ein kleines Loch offen ließ. Bei den Nomadenvölkern Somalias und in einigen anderen Regionen Afrikas ist dies ein grausam-gängige Praxis mit oftmals tödlichen Folgen, um dem Mann, der das Mädchen später heiratet, dessen Jungfräulichkeit garantieren zu können. Als Waris mit dreizehn Jahren verheiratet werden soll, flieht sie durch die Wüste nach Mogadischu zu Verwandten, die sie als Hausmädchen des Botschafters außer Landes bringen. Als sie mit der Diplomatenfamilie Jahre später nach Somalia zurückkehren soll, flüchtet sie erneut und lernt auf der Kaufhaustoilette die chaotische Verkäuferin Marilyn (Sally Hawkins) kennen, die die illegale Immigrantin kurzerhand bei sich aufnimmt. Marilyn wird zur guten Fee in Waris Leben, lange bevor der gänzlich unprätentiöse Modefotograf Donaldson (Timothy Spall) in einem Burger-Laden sie entdeckt und ihre Model-Karriere lanciert. Sherry Hormann ( Bella Block ) hat mit Wüstenblume die Lebensgeschichte Diries nach deren autobiografischen Bestseller-Roman für das Kino adaptiert. Dabei legt sie den Schwerpunkt auf die Londoner Zeit, in der die junge Frau langsam beginnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Weitgehend pathosfrei und mit hoher Sensibilität zeigt Hormann den langsamen Prozess, in dem Waris die Scham vor der eigenen schmerzhaften Vergangenheit verliert und schließlich sogar die Kraft findet, das tabuisierte Thema öffentlich anzuprangern. Aus der Londoner Gegenwart blendet der Film immer wieder zurück in die Kindheitserinnerungen und tastet sich langsam an die traumatischen Erlebnisse heran. Auch hier findet Hormann einen sicheren Weg, die grausame Praxis ohne voyeuristische Effekte zu zeigen. Das Herz des Filmes, zu dem die Erzählung als Gegenpol immer wieder zurückführt, ist die Freundschaft zwischen Waris und Marilyn. Als grundanständige, beste Freundin hätte man der Heldin sicherlich keine Bessere als Sally Hawkins ( Happy-Go-Lucky ) zur Seite stellen können. Auch Liya Kebede, die aus Äthiopien stammend ebenfalls eine Topmodel-Karriere eingeschlagen hat, kann in ihrer ersten Hauptrolle überzeugen. Natürlich erzählt auch Sherry Hormann eine Aschenputtel-Geschichte. Aber nicht der Aufstieg in der internationalen Modeszene steht hier im Vordergrund; die Glamourwelt wird nur kurz gestreift und Model-Zickenterror-Szenarien bleiben ganz außen vor. Hormanns Film erzählt einen andere Erfolgsgeschichte, indem sie die allmähliche Konstitution weiblichen Selbstbewusstseins beschreibt. Aus der grausamsten Diskriminierung heraus entwickelt sich ihre Heldin zu einer Frau, die sich mutig den traumatischen Erlebnissen stellt. Das Happy End findet hier nicht im Blitzlichtgewitter des Laufsteges statt, sondern vor der UN-Vollversammlung, wo Waris als Menschenrechtsbeauftragte gegen die genitale Verstümmelung von Frauen ins Feld zieht. Martin Schwickert Desert Flower GB/D/A 2009 R&B: Sherry Hormann nach dem Buch von Waris Dirie K: Ken Kelsch D: Liya Kebede, Sally Hawkins, Timothy Spall
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