WORLD TRADE CENTER
Im Dunkeln Der Tag, an dem die USA verschütt gingen
Mit Filmen wie Platoon, Nixon und JFK hat sich Stone als kritischer Polit-Filmemacher einen Namen gemacht. Stone musste nach seinem sensationellen Misserfolg von Alexander um dieses Projekt kämpfen, und die Produzenten haben ihm als Mantra mit auf den Weg gegeben, einen explizit unpolitischen Film zu drehen.
Ein unpolitischer Film über den 9/11? Eigentlich ein absurdes Anliegen. Aber tatsächlich blendet World Trade Center alle globalpolitischen Ursachen und Folgen des Anschlags konsequent aus.
Der Film beschränkt sich auf das tatsächliche Schicksal zweier Polizisten, die von den einstürzenden Türmen verschüttet wurden und zu den wenigen Personen zählen, die aus den Trümmern lebend geborgen werden konnten.
Nicolas Cage spielt den Offizier der New Yorker Port Authority, der, nachdem das erste Flugzeug in einen der Twin Towers gerast ist, mit einer Handvoll Freiwilliger bei der Evakuierung helfen soll. John McLoughlin weiß genau, dass es für diese Art von Katastrophe keinen Plan gibt. Noch bevor die Männer zu den Eingeschlossenen vordringen können, stürzt das Gebäude über ihnen ein.
McLoughlin und Will Jimeno (Michael Pena) überleben als einzige, eingeklemmt zwischen den Trümmern eines Fahrstuhlschachtes. Während die beiden im Dunkeln zwischen zerborstenem Beton und verbogenen Stahl auf ihre Rettung warten, schneidet Stone immer wieder zu den Familien der Verschütteten, die die Dimension der Katastrophe nur langsam begreifen und die Hoffnung auf das Überleben der Väter und Ehemänner schwinden sehen.
Im Grunde ist World Trade Center ein sehr konventionelles Verschüttungsdrama. Würde der Film von einem Bergwerksunglück in Minnesota erzählen, sähen die Bilder nicht sehr viel anders aus.
Aber der 9/11 ist eben kein x-beliebiges Grubenunglück, und so muss sich Stone schon den Vorwurf gefallen lassen, dass er das vielschichtige Sujet auf eine kitschige Errettungsgeschichte heruntergekocht hat.
In seinem Schlussbild, in dem der Gerettete auf einer Bahre durch eine Kette von Hunderten Helfern weitergereicht wird, beschwört er noch einmal jenen solidarischen Geist, der die amerikanische Gesellschaft nach dem 9/11 durchwehte - bevor Bush den neuen Patriotismus in kriegerische Bahnen lenkte und das Land damit so tief spaltete wie kein Präsident seit Nixon.
Stone schaut mit freiwilligem Scheuklappenblick auf das menschliche Drama und schwört sich auf die Perspektive der Verschütteten ein, die nicht wussten, was mit ihnen passiert ist. World Trade Center stellt keine Fragen, er will nur an den Schmerz erinnern und alles in ein Bild der Hoffnung verwandeln. Von Stone, dem Analytiker des amerikanischen Kinos, hatte man mehr erwartet.
Vielleicht ist dieser Film nur der Anfang der cinematographischen Reflexion. Der Vietnamkrieg hat das Kino über zwei Jahrzehnte beschäftigt. Mit dem 9/11 und seinen Folgen wird es nicht anders sein.
Martin Schwickert
USA 2006 R: Oliver Stone B: Andrea Berloff K: Seamus McGarvey D: Nicolas Cage, Michael Peña, Maggie Gyllenhaal, Maria Bello
Das Interview zum Film
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