WINTERDIEB Kaltes Herz Ein Junge erlebt die Schweiz ganz unten Vom ersten Bild an geht es bergab. Simon steht dick vermummt im Gewühl eines mondänen Ski-Ortes in den Schweizer Alpen. Und klaut wie ein Rabe. Hier ein Sandwich, dort ein Paar Skier, eine Sonnenbrille, alles was unbewacht herumliegt. Fast ohne einen Blick auf das herrliche Panorama steigt er dann mit der Beute in den Lift und fährt ins Tal. Dort unten ist die Welt noch weniger in Ordnung. Simon lebt mit seiner jungen Mutter in einem heruntergekommenen Hochhaus, kümmert sich um die Wäsche und finanziert die Dinge des täglichen Bedarfs mit seinem Fang. Und er kümmert sich um seine Mutter, die überall in Minirock und weißen Stiefeln als seine Schwester durchgeht. Vor allem bei ihren schnell wechselnden Liebhabern, die ihr manchmal auch ein Veilchen verpassen. Offenbar lebt Simon in prekären Verhältnissen. Aber Regisseurin Ursula Meier zeigt auch, dass alle anderen Verhältnisse ringsum prekär sind. Zweimal wird Simon beim Klauen erwischt. Das erste Mal führt zu einer größeren Bestellung für den nächsten Fischzug, beim zweiten Mal schlägt ihn der Bestohlene zusammen, vor den Augen der Touristen auf der Aussichtsterrasse. Keiner mischt sich ein, Simon ist allein, so allein, dass er einmal gar seine Mutter dafür bezahlt, sich an sie kuscheln zu dürfen. Das klingt wie Sozialkitsch, ist aber so zurückhaltend fotografiert und erzählt, dass einem ständig das Herz stehen bleiben will. Wing L'enfant d'en haut. S/F 2012. R: Ursula Meier B: Antoine Jaccoud, Ursula Meier, Gilles Taurand K: Agnès Godard D: Kacey Mottet Klein, Léa Seydoux, Gillian Anderson
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