WINDTALKERS

Gib Küßchen

John Woo führt mal wieder zwei Helden zusammen

Pazifik, 1943. Zwischen Japan und den Vereinigten Staaten tobt der Krieg. Trotz intensiver Bemühungen gelingt den Amerikanern kein Durchbruch an der Pazifik-Front. Die Codes des Geheimdienstes werden von den Japanern permanent entschlüsselt. Erst als eine Navajo-Sondereinheit eine neues System auf der Basis ihrer Sprache aufbaut, wendet sich das Blatt. Der ungeknackte Code ist maßgeblich am Erfolg der Amerikaner beteiligt. John Woo setzt den Indianer in seinem Film ein Denkmal- unter dem Spitznamen, den die Navajos von den Marines erhielten: Windtalkers - die mit dem Wind sprechen.
Der gebürtige Hongkong-Regisseur John Woo, Spezialist für opernhaft inszenierte Gewaltorgien ( Face/Off, Mission: Impossible II ), erzählt eine Fabel von Freundschaft und Pflichterfüllung gespickt mit drastischen und episch-langen Schlachtszenen. Dreh- und Angelpunkt der Story bilden der Artillerist Joe Enders (Nicolas Cage) und der Funker Ben Yahzee (Adam Beach), ein aufeinander angewiesenes Paar, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte. Enders ist ein ausgebrannter, psychisch desolater Soldat, der einen Kampfeinsatz gegen eine japanische Einheit als einziger überlebt hat. Yahzee hingegen strotzt vor Naivität und Sympathiebekundung für jeden Uniformträger, der ihm über den Weg läuft. Drehbuchautor John Rice lädt die sowieso gegensätzliche Konstellation mit einem historisch nicht nachweisbaren Schlenker in der Story auf. Als Enders die Order erhält, Yahzee zu beschützen, wird ihm die Bedeutung des Codes mit folgenden Worten eingetrichtert: Der Navajo hat den Code. Schützen Sie den Code mit allen Mitteln. Der Tod Yahzees ist dabei - so interpretiert es nicht nur Enders - in Kauf zu nehmen. Eine hervorragende Studie hätte sich daraus entwickeln können. Aber leider interessiert sich Woo zu sehr für die Darstellung grausamen Schlachtengetümmels. Windtalkers gerät zu einer Aneinanderkettung von Kampfszenen, in deren Pausen die Protagonisten die Chance erhalten, mehr als nur Feuer, Vorwärts oder Hilfe von sich zu geben. Wie sich Enders und Yahzee näher kommen, beschreibt der Film dann in platten, fast rührend-ungeschickten Episoden: die erste gemeinsame Zigarette, das Familienfoto von Yahzee, die Fürsorge nach einem Besäufnis. Fehlt nur noch ein saftiger Kuss.
Im neuen Patriotismus-Taumel an der amerikanischen Kinokasse mag Windtalkers eine Chance wittern. Streicht man die militärischen Gimmicks, die Helden und die durchschwitzte Männer-Sentimentalität weg, bleibt wenig übrig. Für ein Saving Private Ryan im Pazifik reicht der Genreversuch des Action-Meisters nicht.

Ulf Lipitz

US 2002, R: John Woo, B: John Rice, K: Jeffrey Kimball, D: Nicolas Cage, Adam Beach, Peter Stormare, Roger Willie, Christian Slater