WIMBLEDON

Gemischtes Einzel
Liebe mit Aufschlag
Lange Zeit haben wir Europäer die Faszination der Amerikaner an Sportfilmen mit einer Mischung aus Spott und Bewunderung betrachtet, zum einen, weil zu viele von ihnen mit Sportarten zu tun haben, deren Reglement wir erst nach dem Studium eines mittelschweren Handbuchs verstehen können; allerdings auch, weil sie - ganz abgesehen von der jeweiligen Disziplin - uns trotzdem rühren und bewegen.
Dabei ist das Rezept für einen erfolgversprechenden Sportfilm denkbar einfach: die jeweilige Disziplin muss mit einer starken zweiten Erzählebene verknüpft sein, mit dem sich ein großes Publikum identifizieren kann - und so wird aus Baseball eine Metapher für verlorene Ambitionen und verpasste Chancen (Feld der Träume), aus Football ein passendes Sujet für eine moderne Gladiatorengeschichte (Any Given Sunday) und aus Fußball in der Nachkriegszeit eine Geschichte über das zurückgewonnene Selbstvertrauen einer ganzen Nation (Das Wunder von Bern).
Richard Loncraines Wimbledon ist nicht der erste Versuch, Tennis zum Thema eines Films zu machen, im Gegensatz zu Rohrkrepierern wie Jocks schafft er es jedoch, für den einsamen Sport der weiß gekleideten Individualisten die perfekte inhaltliche Entsprechung zu finden: als Liebesgeschichte zwischen einem alternden Athleten und einer jungen, ehrgeizigen Newcomerin.
Paul Bettany spielt Peter Colt, den besagten Frührentner des Tennis-Courts, der einen ausgelosten Platz beim Wimbledon-Turnier dazu nutzen will, einen Schlussstrich unter seine im Mittelmaß steckende Karriere zu setzen. Ein zufälliges Treffen mit Lizzie Bradbury (Kirsten Dunst als die filmische Entsprechung von Anna Kournikova, allerdings besser gebaut und weiter oben auf der Weltrangliste) verschafft ihm einen zweiten Frühling - als Mann und als Sportler. Leider hat die beginnende Liebesaffäre eher negative Auswirkungen auf das Spiel der sonst so kühlen, kalkulierenden Lizzie.
Wimbledon entpuppt sich als zauberhafte Sport-Romanze mit einer gewinnenden Kombination: Loncraines Film nimmt den Sport sehr ernst, zeigt ihn realistisch und packend; bei der Liebe bastelt er aber genau die Traumschlösser, für die wir nur zu gerne für 8 Euro pro Kino-Sitzung ausgeben. Paul Bettany (Master and Commander, A Beautiful Mind) und Spiderman-Babe Kirsten Dunst beweisen sowohl auf dem Tennisplatz als auch im Bett die passende Chemie, um uns an ihr sportliches Können und an die Liebe zwischen zwei konzentrierten und egozentrierten Menschen glauben zu lassen. Wimbledon ist weder originell noch ein Meisterwerk, aber eine äußerst charmant gestrickte Verbindung von Thirty-Love und Love-over-Thirty.
Karsten Kastelan
GB 2004. Regie: Richard Loncraine. Mit Kirsten Dunst, Paul Bettany, Sam Neill, Jon Favreau, Bernard Hill, Eleanor Bron, Austin Nichols