»WILD THINGS« Wer war's nicht?
Sex & Lies in Florida In Blue Bay, Florida, ist ganzjährig Hauptsaison. Tagsüber scheint ununterbrochen die Sonne, und des nachts zirpen die Zikaden. Sorglos schön, sorglos reich. Das kann auf Dauer ja nicht gutgehen. Unter der Oberfläche brodelt es gehörig. Auslöser für "wild things" ist die High-School-Schönheit Kelly Van Ryan (Denise Richards aus Starship Troopers ). Sie steht eines Nachmittags klatschnaß und kurzbehost im Haus des Sportlehrers Sam Lombardo (Matt Dillon). Der Womanizer hat die Annäherungsversuche der Göre bisher ignoriert. Deshalb setzt Kelly alles auf eine Karte: ihre Proportionen. Die Kamera fährt huldvoll über ihre Beine, so lange, bis auch der letzte kapiert, daß das überzogen sexy ist. Als es am spannendsten wird, spielt Regisseur John McNaughton mit uns: Er blendet die Szene einfach aus. Etwas ist im Dunkeln geblieben, aber noch weiß keiner, was genau. Ist es die Vergewaltigung Kellys durch Lombardo, wie das Mädchen zu Protokoll gibt? Ist es die Unschuld des Lehrers, wie er seinerseits beteuert? Oder ist Lombardo gar ein Serientäter? Eine weitere Mitschülerin ( Scream -Queen Neve Campbell) hat sich plötzlich als Vergewaltigungsopfer bei der Polizei gemeldet. Lombardos Anwalt (Bill Murray) riecht Konspiration. Recht hat er. Vor versammelter Gerichtsmannschaft entlarvt er beide Anschuldigungen als Farce. Der smarte Sportlehrer ist zwar aus der Klemme, aber der Frieden in der Enklave der Reichen und Schönen kippt nun vollends. Es folgen neue Enthüllungen und Beziehungskonstellationen, Intrigen werden aufgedeckt oder gesponnen, viel Geld ist im Spiel, Sympathien für die Protagonisten verschieben sich fast in jeder Szene. "Verbotene Liebe" im Sumpf des Verbrechens; irgendwie trivial ist dieser Reigen, aber irgendwie auch mächtig verzwickt. Die Geschichte von Wild Things findet an der etwas obskuren Schnittstelle von Playboy-Clip, Seifenoper und Film noir statt. Die Frage, die uns Regisseur John McNaughton ( Mag Dog and Glory ) dabei stellt, ist nicht: Wer hat das getan? Sie lautet eher: Wer eigentlich nicht? Ein breitgefächertes Personenensemble (darunter auch Kevin Bacon als verbissener Cop) spielt verteufelt gut mit doppeltem Boden. Neben der souveränen Männerfraktion von Dillon und Bacon muß ein großes Bravo den Jung-Nymphen Denise Richards und Neve Campbell zugerufen werden. Sie agieren in der ersten Hälfte als billige Rächerinnen mit viel zu wenig Kleidung und noch weniger Hirn, aber nur, um im zweiten Teil gewitzt durch die Intrigen zu flitzen. Von Täter zu Opfer. Von Opfer zu Täter. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Grenzen sind fließend. Keiner der Charaktere ist das, was er uns zunächst glauben läßt. Die Lüge ist das einzige Glaubensprinzip. Davon überzeugt uns endgültig der Abspann, in dem die noch fehlenden Puzzlestückchen visuell serviert werden.
Ulf Lippitz
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